Hagen Pfundner: Was die Pharma­branche aus Kino-Sternstunden lernen kann

Filmfan Hagen Pfundner über eine mutige Karriereplanung, Zivilcourage im Unternehmen und was Dustin Hoffman damit zu tun hat.

Neue Rollen und Kulissen

Mein Start war angesichts des Therapiegebiets „Angststörungen und Depressionen“ und unseren Beruhigungsmitteln und Antidepressiva für die ich verantwortlich war sehr anspruchsvoll und zeigte mir schnell das politische und gesellschaftliche Spannungsfeld, in dem die Branche operierte. Ich bereute meinen Schritt ins Unbekannte dennoch nicht. Im Gegenteil: Drei Jahre später würde ich einen weiteren gehen.

Vor kurzem fragte mich jemand, welchen Filmhelden ich mit besonders großem Mut verbinde. Nun habe ich die meisten cineastischen Sternstunden in den 1980ern erlebt, als ich in Freiburg Pharmazie studierte. Und bei der damals extremen Bandbreite an Thrillern, Science-Fiction und Action-Feuerwerken gibt es natürlich eine ganze Menge vielversprechender Kandidaten.


Trotzdem assoziiere ich Heldenmut weniger mit Harrison Ford, Arnold Schwarzenegger oder Clint Eastwood. Meine besondere Bewunderung gilt Dustin Hoffman. Hoffman war mutig, weil er eine durchaus riskante Karriereplanung wählte. In der Zeit des Blockbuster-Kinos entschied er sich für komplexe Charakterrollen. Auf der großen Leinwand dominierten „echte Kerle“, Dustin Hoffman dagegen spielte in „Tootsie“ eine Frau und hinterfragte die Geschlechterrollen in der Showbranche. 1989 brachte ihm Rain Man seinen zweiten Oscar ein. Den Autisten Raymond spielte er derart einfühlsam und überzeugend, dass sich plötzlich eine breite Öffentlichkeit mit einer neurologischen Entwicklungsstörung auseinandersetzte. Hoffman landete letztlich Welterfolge – der gerechte Lohn für seinen Mut, sich unkonventionellem Stoff anzunehmen.

Vielleicht ist die fehlende Angst vor Neuem eine der wenigen Parallelen zwischen ihm und mir – abgesehen von der Tatsache, dass wir beide nicht besonders groß sind. Ich habe jedenfalls auch den Drang verspürt, mich neu ausprobieren zu können. Deshalb bin ich überhaupt erst aus der akademischen Forschung zu Roche gewechselt. Die pharmazeutische Industrie übte auf mich eine gewisse Faszination aus – schon während des Studiums. Zwei Fragen ließen mich nicht los. Die erste: Wie genau tickt diese Branche? Frage Nummer zwei: Wie verkaufen sich Arzneimittel? Sie brachten mich zu meinem ersten Job. 1992 stieg ich dann bei Roche in Deutschland im Bereich Marketing und Vertrieb ein.

Mitte der 1990er Jahre übernahm ich Ver­ant­wor­tung für Pro­dukt-Stra­te­gien im Kon­zern, die gan­ze Kon­tinen­te um­spann­ten – muss­te für mich aber zu­nächst klä­ren, ob ich über­haupt ein Stra­tege bin. Wür­de ich der Rol­le ge­wach­sen sein? Ris­kiere ich bei einem Schei­tern nicht meinen Ruf, meine Kar­riere? Innere Kon­flikte wie sie wohl ebenso in man­chem Cha­rak­terdar­stel­ler to­ben, bei der Lek­türe eines unkon­ventio­nel­len Dreh­buchs.

Mein persönliches Drehbuch versetzte mich Ende der 1990er in eine völlig neue Kulisse. Ich verließ meine Komfortzone im Dreiländereck und wagte mich über den großen Teich nach Kanada. Dustin Hoffman mag das Rain-Man-Skript auch als Herausforderung an seine Wandlungsfähigkeit verstanden haben. Mir ging es damals ähnlich: Ich wollte wissen, was es braucht, um in einem anderen kulturellen Umfeld zu bestehen.

Leicht gemacht hatte ich mir das Abenteuer Nordamerika keinesfalls. Schließlich hatte ich Kinder und eine Frau mit beruflicher Perspektive als Pharmazeutin. In Nordamerika aber sah das anders aus, allein schon, weil das deutsche Apotheker-Staatsexamen hier nicht anerkannt wurde. Ich kämpfte also mit der Überlegung, ob ich meine Frau einer Chance beraube – und sie fühlte umgekehrt wahrscheinlich genauso. Letztendlich stellten wir beide die Hoffnung auf eine lebensbereichernde Erfahrung über unsere Zweifel. Meine Frau unterstützte mich massiv, wofür ich ihr immer dankbar sein werde. Ein bisschen Dustin Hoffman steckt also auch in ihr.

Mutige Entscheidung im Auge der Krise

Aber auch in meinem Arbeitgeber. Wer auf unsere Seite

„Mut macht Originale“ schaut, könnte Roche als den Charakterkopf der pharmazeutischen Industrie wahrnehmen. Das Unternehmen hat sich im Laufe seiner Geschichte immer wieder Herausforderungen gestellt, die andere vorher entweder nicht zu meistern vermochten oder gar nicht auf dem Schirm hatten. Kurzfristiger kommerzieller Erfolg war und ist nicht vorrangig – es zählt die Innovationskraft.

Durch über 120 Jahre ziehen sich viele unternehmerische Entscheidungen, mit denen Roche sich couragiert vorwärtsbewegte. Von diesen 120 Jahren überblicke ich selbst 25. Und auch in dieser Zeit fassten wir prägende Entschlüsse. Ein besonders mutiger datiert von 2009, als die Finanz- und Wirtschaftskrise omnipräsent war. National wie global herrschte riesige Unsicherheit – nicht zuletzt mit Blick auf die Frage, ob die sozialen Sicherungssysteme standhalten würden.

Der Druck war immens, als staatliche Sanktionen Roche in Deutschland zusätzlich mit 200 Millionen Euro belasteten. Das Problem: In diesem Jahr hatten wir eine Entwicklungs-Pipeline, die zwingend nach Investitionen verlangte. Uns brach also Umsatz weg, das Geschäft war rückläufig, gleichzeitig mussten wir jedoch weiter Kosten anhäufen, um unsere Zukunft zu sichern. Die Konzernleitung gewährte uns die Investitionen – und am Ende sollten wir das Vertrauen im wahrsten Sinne des Wortes zurückzahlen.

Unternehmen brauchen Zivilcourage

Was die Entschlussfindung hier in Deutschland umso bemerkenswerter machte: Sie entstand als echtes Gemeinschaftsprodukt. Vor noch 20-30 Jahren konzentrierte sich Verantwortung in Unternehmen häufig auf eine mächtige Person. Einer Konsensfindung bedurfte es selten, vielmehr traf ein Einzelner eine oftmals einsame Entscheidung – ein wenig wie im Western oder im Actionfilm.
Heute aber verteilt sich Verantwortung auf viele Schultern, der Einzelne ist Teil einer langen Prozesskette. Da überhaupt zu einem Ergebnis zu kommen, ist schon eine Leistung. Eine mutige Entscheidung – keinen Kompromiss – zu fällen, erscheint noch weitaus unwahrscheinlicher.

2009 aber gab es in der Roche Pharma AG eine unglaubliche Solidarisierungswelle unter den Entscheidern. Es gelang uns, gemeinsam ein starkes Konzept zu erarbeiten und dieses für die Konzernleitung zusätzlich noch zu konkretisieren. Wir schlossen keinen Kompromiss, der jedem ein gewisses Maß an Sicherheit garantierte, sondern fanden mit den Investitionen einen Konsens, von dem der deutsche Standort mittelfristig massiv profitierte.

Dieses Beispiel verdeutlicht Folgendes: Ein Konzern benötigt viele mutige Persönlichkeiten, um zukunftsträchtig zu handeln. Daher gehört Zivilcourage ins Unternehmen. Menschen sollten bereit sein, für andere einzustehen, sie bei schwierigen Entscheidungen zu unterstützen.


Dafür müssen wir stets die Mündigkeit der eigenen Belegschaft fördern, Menschen ganz gezielt mit neuen Rollen experimentieren lassen. Am Anfang meiner Karriere hätte ich den Mut von 2009 möglicherweise nicht aufgebracht. Doch ich habe seit Beginn der 1990er Jahre eben sehr viel hinzugelernt, weil ich mich ausprobieren und mir so ein umfassenderes Bild von Konzern, Branche und Markt machen konnte.

Und ich bin froh, bei Roche mit Menschen zusammenzuarbeiten, die nicht nur innerhalb der Grenzen ihres Aufgabenbereichs denken. Kurzum: Wir haben hier viele mutige Charaktere à la Dustin Hoffman – und damit die richtige Besetzung für Meisterwerke der forschenden Pharmaindustrie.

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