Erschienen am {DATE} von {AUTHORS} in den Kategorien {CATEGORIES}

Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist Automatisierung in der Labordiagnostik mehr denn je das Gebot der Stunde. Trotz erheblicher Fortschritte auch in Prä- und Postanalytik sind in hoch automatisierten Laboren manuelle Arbeitsschritte nach wie vor nötig – was gerade bei hohem Probenaufkommen nicht nur die Mitarbeitenden aus dem Takt bringen kann, sondern auch den kontinuierlichen Probenfluss stört. Labor Berlin hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Schritt zwischen Probenerfassung/-vorsortierung und Zentrifugation, der nach wie vor sehr viel Handarbeit erfordert, zu automatisieren. Im Herbst 2018 wurde hierfür ein Projekt gestartet und Ende 2020 erfolgreich abgeschlossen. Die Methode: Co-Creation mit den drei Partnern Labor Berlin, SARSTEDT und Roche Diagnostics. Das Resultat: die Lücke ist geschlossen, der kontinuierliche, automatische Probenfluss Realität, die Mitarbeitenden zufrieden – und alle drei Partner sind offen für weitere Co-Creation-Projekte.

Ein Gespräch mit Nikolaus Wintrich, Dr. Roland Rest und Andreas Lamster

Als Nikolaus Wintrich, studierter Wirtschaftsingenieur mit Schwerpunkt Informations- und Kommunikationssysteme, zu Labor Berlin kam, waren die Arbeitsabläufe schon stark automatisiert. Allerdings gab es einen großen Wermutstropfen. Wintrich, heute COO und damaliger Leiter für Labor- und Prozessmanagement bei Labor Berlin erinnert sich: „In einem ansonsten voll automatisierten Probenfluss mussten unsere Mitarbeitenden jeden Tag etwa 6.000 Proben händisch vom Vorsortierer in die Zentrifugeneinheit umsetzen. Hier klaffte nämlich eine Lücke zwischen unserem SARSTEDT Bulkloader BL 1200 und dem Zentrifugenmodul cobas p 671 von Roche Diagnostics.“

Nikolaus Wintrich
Chief Operating Officer
Labor Berlin
E-Mail: Nikolaus.Wintrich@laborberlin.com

Dr. Roland Rest
Produktmanager
Lab Automation
SARSTEDT
E-Mail: roland.rest@sarstedt.com

Andreas Lamster
Produktmanager Lab Automation
Roche Diagnostics Deutschland GmbH
E-Mail: andreas.lamster@roche.com

Die Lücke betrug zwar nur rund 50 Zentimeter Luftlinie. „Sie hielt unsere Mitarbeitenden aber gehörig auf Trab, die ihre Arbeit immer wieder unterbrechen mussten, um wieder eine Ladung automatisch vorsortierter Proben manuell auf den weiteren Weg in die Analytik zu bringen“, betont Wintrich. „Das war ein unnötiger manueller Prozessschritt, der auch der Turnaround-Zeit nicht gut tat.“

Eine Lösung musste her, die die kleine, aber folgenreiche Lücke schließen würde. Da der Markt kein fertiges Produkt anbot und sich herausstellte, dass eine individuelle Lösung – etwa mit einem nach Maß gebauten Roboterarm – zu teuer sein würde, wandte sich Wintrich an seine Ansprechpartner bei SARSTEDT und Roche Diagnostics. „Mein Gedanke war, dass von einer Lösung, die die Prozesslücke zwischen dem Bulkloader von SARSTEDT und der Zentrifugeneinheit von Roche schließen würde, noch weitere Kunden profitieren würden“, so Wintrich. „Und vor allem: dass dieser Bedarf doch eine starke Motivation für beide Firmen darstellen müsste, hier ungewohnte Wege zu gehen und gemeinsam eine Lösung zu entwickeln.“ Folglich hat Wintrich seinen Kundenbetreuer bei Roche auf die Prozesslücke hingewiesen und auch den Außendienst von SARSTEDT angesprochen.

Und wirklich stieß die Idee einer gemeinschaftlichen Entwicklung sowohl bei Roche als auch bei SARSTEDT rasch auf offene Ohren. Ein gemeinsames Meeting bei der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL) im Herbst 2018 bot den Rahmen für ein erstes Orientierungsgespräch. „Alle drei späteren Partner waren vor Ort – im Rückblick legte unsere Diskussion am Rande des DGKL-Treffens den Grundstein für das spätere Co-Creation-Projekt“, blickt Andreas Lamster, Produktmanager für Laborautomation bei Roche Diagnostics, zurück. „Mein erster Gedanke war, dass wir auf alle Fälle daran mitarbeiten wollen, Arbeitsabläufe bei unseren Kunden weiter zu vereinfachen. Dabei mussten wir als erstes zusammen mit SARSTEDT prüfen, wie das technisch und vom regulatorischen Umfeld her machbar ist.“ Auch Dr. Roland Rest, verantwortlicher Produktmanager für die Laborautomation bei SARSTEDT, war schnell überzeugt. „Natürlich dachte ich in einer ersten Reaktion auch daran, dass Roche nicht nur unser Kunde, sondern in bestimmten Bereichen auch Wettbewerber ist. Aber wir sahen schnell die Chancen des Projekts“, sagt Rest. „Bis dahin hatten wir keine technische Lösung, um Proben aus dem Bulkloader direkt in eine Laborstraße einzuschleusen. Jetzt eröffnete sich die Möglichkeit, eine solche konkret in einem Kundenprojekt zu erarbeiten.“

Und die Lösung im Alleingang zu entwickeln? Das erschien weder SARSTEDT noch Roche sinnvoll. „Labor Berlin hatte zwei gut funktionierende Lösungen von SARSTEDT und Roche – hier etwas Eigenes als Zwischenschritt zu entwickeln, wäre nicht sinnvoll gewesen“, bringt es Lamster auf den Punkt. Beide betonen, dass das auch gar nicht gegangen wäre, weil keiner alle Informationen zur Verfügung hatte.

Genau auf diese Situation – niemand kann heute das enorme Wissen in Medizin, Technik und Forschung allein überblicken und nutzen – antwortet die Methode Co-Creation. Es geht um eine Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern auf Augenhöhe mit dem Ziel, Ideen gemeinsam zum Erfolg zu bringen. Die Methode bindet Anwender schon in einer frühen Entwicklungsphase ein, so dass die ins Auge gefassten Lösungen sehr früh mit den Bedürfnissen des ­Marktes abgestimmt werden. Das haben die drei Co-Creation-Partner SARSTEDT, Labor Berlin und Roche mit ihrem Zusammenschluss aus Anwender und Entwickler denn auch beherzigt. Zudem wurden die Entwickler von SARSTEDT und die technischen Spezialisten von Roche gemeinsam mit den Marketingfachleuten beider Unternehmen von Anfang an beteiligt, um die technische Machbarkeit der Anwenderanforderungen zu jedem Zeitpunkt im Blick zu haben.

Durch das auf beiden Seiten vorhandene Spezialwissen konnten die Projektpartner die notwendige gemeinsame Wissensbasis schaffen. „Anfangs gab es durchaus noch leichte Bedenken wegen der Wettbewerbssituation unserer beiden Unternehmen,“ berichtet Rest. Das für die Zusammenarbeit nötige Vertrauen sei dann von Telefonat zu Telefonat und von Meeting zu Meeting gewachsen und mündete rund drei Monate nach dem ersten Orientierungstreffen in eine Projektvereinbarung, so die Partner. Sie betonen: „Das Vertrauen war und ist essenziell, schließlich gab es eine Lücke zu überbrücken und das schafft man nur mit gegenseitigem Vertrauen.“

Links:
SARSTEDT Bulkloader BL 1200 und Zentrifugenmodul cobas p 671 von Roche Diagnostics

Rechts:
Neu entwickeltes Anbindungsmodul SORT CONNECT

Die Zusammenarbeit verlief harmonisch und sehr pragmatisch und kam in Rekordzeit – nur gut zwei Jahre nach dem Erstgespräch – zum erfolgreichen Abschluss: Anfang Dezember 2020 wurde der modifizierte Bulk Sorter BL 1200 mit dem neu entwickelten Anbindungsmodul SORT CONNECT bei Labor Berlin installiert und in Betrieb genommen. „Von Tag eins bis heute lief das Gerät reibungslos und die Mitarbeitenden freuten sich über das vorgezogene Weihnachtsgeschenk, es gab leuchtende Augen und strahlende Gesichter“, so Wintrich. Die Vorteile im Arbeitsalltag von Labor Berlin sind in der Tat erheblich: „Wir konnten die Spitzenbelastungen an den präanalytischen Geräten senken und haben nun einen kontinuierlichen Probenfluss, ohne den händischen Aufwand von früher. Auch die Turnaround-Zeit konnten wir so weiter verbessern, um etwa fünf bis sechs Minuten. Konkret heißt das, dass nun alle 6.000 Proben pro Tag annähernd gleich schnell sind.“

Trotz dieses lückenlosen Glücks schreibt Wintrich für Labor Berlin bereits einen neuen Wunschzettel. So müssten die Racks für den Transport der Proben immer noch von Labormitarbeitenden nachgeladen werden. Denkbar wäre hier eine Art Revolverlösung, mit der die Racks aus dem unteren Bereich des Bulkloaders automatisch nach oben befördert werden können. Dadurch ließe sich die Walk-away-Zeit noch weiter verbessern. Generell gäbe es beim Thema Probentransport – beginnend bei der Blutentnahme bis hin zum Labor – noch viel Optimierungspotenzial, ergänzt Rest. Eine erneute Zusammenarbeit können sich dabei alle Beteiligten gut vorstellen. „Wir haben viele kreative Köpfe, viel Wissen, viele Experten – die müssen wir zusammenbringen, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln, die einen Mehrwert für unsere Kunden, die Mitarbeitenden im Labor und die Gesundheitsversorgung insgesamt bringen“, betont Lamster.

Disclaimer: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in den Texten nur das generische Maskulinum verwendet. Es sind damit alle Personen unabhängig von ihrem Geschlecht gemeint.

Melden Sie sich zum Newsletter an und erhalten Sie direkt die Neuigkeiten aus der Diagnostik in Ihr Postfach.

Links zu Websites Dritter werden im Sinne des Servicegedankens angeboten. Der Herausgeber äußert keine Meinung über den Inhalt von Websites Dritter und lehnt ausdrücklich jegliche Verantwortung für Drittinformationen und deren Verwendung ab.