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Stellen Sie sich vor, es ist ein hektischer Montagmorgen in einem modernen klinischen Labor. Die ersten Patientenproben des Tages treffen ein und werden von den KI-gesteuerten Analysegeräten bearbeitet. Plötzlich ertönt ein Alarm. Das Analysegerät hat eine Anomalie in einer Blutprobe erkannt, die auf eine schwere Erkrankung hinweist. Es schlägt vor, diese Probe zu priorisieren und weiterführende Analysen einzuleiten. Das Laborpersonal reagiert sofort und widmet sich der weiteren Probenbearbeitung, während die Maschine mit den Routineanalysen fortfährt.

Solche oder ähnliche Szenarien sind heute technologisch längst möglich und halten langsam Einzug in die medizinischen Abteilungen. Heute ist klar: Digitalisierung und künstliche Intelligenz (KI) werden die medizinische Landschaft der Zukunft unaufhaltsam verändern. Die Frage ist längst nicht mehr, „ob KI kommen wird, sondern wie wir sie klug nutzen“ so Professor Dr. David Matusiewicz, Hochschullehrer am Kompetenzzentrum für Medizinökonomie der FOM Hochschule. „Wir sind die letzte Generation, die ohne KI im Labor gearbeitet hat“, fügt er hinzu.

Aktuell verdoppelt sich medizinisches Wissen etwa alle 73 Tage. 2010 waren es noch 3,5 Jahre, 1980 sieben Jahre¹. „Wir produzieren eine immense Datenflut“, sagt Matusiewicz. „Aber das Potenzial, das in diesen Daten steckt, ist noch weitgehend ungenutzt.“ Doch das wird sich ändern. Der digitale Wandel in der Medizin nimmt Fahrt auf – ein Wandel, der Herausforderungen, vor allem aber auch Chancen mit sich bringt – da ist sich der Medizinökonom sicher.

Wie sieht ein solcher Wandel in der Praxis aus? Welche Veränderungen werden hier auf uns zukommen? Zum einen wird die klassische Medizin im Sinne der Diagnostik und Therapie von Krankheiten mehr und mehr durch Maßnahmen zur Prävention, Gesundheitsförderung und Leistungsoptimierung ergänzt werden. Wir werden nicht mehr einfach nur „gesund“ und „krank“ unterscheiden. Vielmehr wird dem so genannten „Interception Window“– dem Zeitfenster, in dem Krankheiten bereits in einem asymptomatischen Stadium erkannt und gemanagt werden können – immer mehr Bedeutung zukommen. Kliniken werden sich in Richtung so genannter „Smart Hospitals“ entwickeln. Das sind Einrichtungen mit einem stark menschenzentrierten, digitalisierten, innovativen und prozessoptimierten Konzept. Solche und ähnliche innovative Ansätze könnten zu einer „Smart Healthcare“ kombiniert werden, wie Anke Diehl, Chief Transformation Officer der Universitätsmedizin Essen und Leiterin der Stabsstelle Digitale Transformation in ihrem Buch „Disease Interception als Chance und Herausforderung“ beschreibt². Ein derartiger digitaler und präventiver Ansatz ginge weit über den bisher vorherrschenden „Reparaturbetrieb“ hinaus, indem er Krankheiten gar nicht erst entstehen lässt bzw. diese so früh wie möglich erkennt.

Im Zuge des digitalen Wandels wird auch nicht mehr allein zwischen ambulanter und stationärer Versorgung unterschieden. Vielmehr werden Möglichkeiten zur digitalen medizinischen Versorgung wie Telemedizin oder digitale Gesundheitsanwendungen eine wachsende Rolle spielen. Sie werden dazu beitragen, dass Menschen ihre Gesundheitsdaten überwachen und mit ihren Ärzten in Kontakt treten können, ohne physisch in der Klinik oder Praxis zu erscheinen. Matusiewicz spricht von einem „Labor in der Hosentasche“, das rund um die Uhr bestimmte Gesundheitsdaten sammelt.

„Je nach Größe des Standortes entfallen bis zu 2,5 Prozent des gesamten Klinikbudgets auf die Laborarbeit – das ist nicht wenig und mehr als einige Krankenhäuser für Digitalisierung ausgeben“, so Matusiewicz.

Die Labormedizin steht momentan irgendwo zwischen Tradition und Innovation: Die Anzahl der Laborparameter, die in immer kürzerer Zeit erhoben und analysiert werden müssen, steigt kontinuierlich an. Dies zu bewältigen, ist eine zunehmende Herausforderung. Der wachsenden Komplexität stehen demografische Entwicklungen wie eine alternde Bevölkerung und ein gravierender Fachkräftemangel entgegen, die den Druck auf die Labore zusätzlich erhöhen.

Diese Entwicklungen lassen kaum einen Zweifel daran, dass auch die Zukunft der Labormedizin mehr und mehr durch Digitalisierung und künstliche Intelligenz geprägt sein wird. Innovative Analysemöglichkeiten und mobile Lösungen werden eine schnellere und bessere Datenauswertung und eine 24/7-Auslastung ermöglichen. KI wird die Administration vereinfachen. KI-basierte Sprachassistenten werden die Dokumentation deutlich verkürzen. Smarte Roboter werden wie in unserem Eingangsszenario als Teamkollegen des Laborpersonals arbeiten. Die Verknüpfung von Technologien wie KI, Robotik, Cloud und XR wird die Labore der nächsten Generation prägen.

David Matusiewicz nennt es ein „Dreiecksgespräch“, das in der nächsten Labor-Generation zwischen Labor, Ärzten und Maschinen stattfinden wird. In dieser Konstellation wird der Faktor „Mensch“ seiner Einschätzung nach entgegen weit verbreiteter Befürchtungen wichtiger sein denn je. Und der persönliche Kontakt untereinander wird zur „Quality Time“.

[1] Densen P. Challenges and opportunities facing medical education. Trans Am Clin Climatol Assoc. 2011;122:48-58. PMID: 21686208; PMCID: PMC3116346.

[2] Diehl A. Disease Interception und Smart Hospital – wie groß ist die Schnittmenge? In: Wiese L, Diehl A Huster S (Hrsg). Disease Interception als Chance und Herausforderung. Bochumer Schriften zum Sozial- und Gesundheitsrecht (S. 51-62). Nomos, Baden-Baden. 1. Auflage 2024.DOI: https://doi.org/10.5771/9783748940920

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