Die großen Stärken der Massenspektrometrie im klinischen Einsatz – herausragende Spezifität und Sensitivität – sind unbestritten. In privaten sowie universitären klinischen Laboratorien hat diese leistungsfähige analytische Messmethode bereits Einzug in die Spezialanalytik gehalten. Für viele Labore jedoch bleibt die Implementierung von Massenspektrometrie vorerst ein unrealistischer Wunsch. Zu viele Hindernisse limitieren aktuell den breiten Einsatz in klinischen Laboratorien. Dazu gehören der hohe Anteil an manuellen Arbeiten und der Bedarf an speziell ausgebildeten Fachkräften. An das Potenzial der Technologie jedoch wird geglaubt – und an der Realisierung der Vision, eine vollständig in das Zentrallabor integrierte, automatisierte Flüssigkeitschromatographie-Massenspektrometrie-Lösung für die Anwendung in der Routine bereitzustellen, wurde mit Hochdruck gearbeitet. Mit gutem Grund, wie Roche zeigt. Dabei spielen paramagnetische Partikel für die Extraktion eine wichtige Rolle.
Die Massenspektrometrie im Labor der LMU in München leistet bereits seit vielen Jahren gute und umfangreiche Dienste. Zwölf spezialisierte technische Mitarbeiter:innen arbeiten mit acht Massenspektrometern, insbesondere im Therapeutic Drug Monitoring (TDM) von Immunsuppressiva und Antibiotika. Dies sieben Tage die Woche, allerdings nicht rund um die Uhr. Es gibt also noch viel Potenzial für den Einsatz im klinischen Labor, gerade im Bereich der Intensivmedizin, wo die 24/7-Verfügbarkeit und kurze Turnaround-Zeiten besonders wichtig sind. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, arbeitet Roche eng mit Kunden und Universitäten zusammen, mit dem Ziel, die Massenspektrometrie nahtlos in ein vollautomatisiertes Routinelabor integrieren zu können.
Der Hauptvorteil der Massenspektrometrie für das medizinische Labor liegt in der extrem hohen analytischen Spezifität und – durch die Isotopenverdünnungstechnik – Robustheit. Weder die Immunoassaytechnik geschweige denn die Photometrie können hier auch nur annähernd mithalten. Um diese hohe Spezifität aber wirklich zu erreichen, müssen Labore einiges tun: beispielsweise molekülmassenspezifisch und strukturspezifisch arbeiten, also keine reinen Massendetektoren einsetzen. Denn diese sind keine Antwort auf komplexe diagnostische Proben. So gibt es etwa bei der Molekülmasse 423 eine große Anzahl von Molekülen, die diese Masse tragen. Um die Spezifität zu erhöhen, kann man die Flüssigchromatographie mit einem Tandem-Massenspektrometer koppeln. In der eigentlichen Analyse ist dann die Isotopenverdünnungstechnik ein weiteres Verfahren, um eine hohe Zuverlässigkeit zu erreichen. Dabei erfolgt die Standardisierung mittels stabilisotopmarkierter Homologe (interner Standard) der Zielanalyte. Dadurch werden die Moleküle für das Massenspektrometer klar differenzierbar, weisen aber trotzdem physiochemisch exakt die gleichen Eigenschaften wie der eigentliche Zielanalyt auf. Damit erreicht man eine vollständige Kompensation von Matrixeffekten. Die Multiplexing-Fähigkeit ist ein weiterer großer Pluspunkt der Massenspektrometrie. Sie ermöglicht die Multianalyt-Quantifizierung in großem Umfang, also das parallele Detektieren und gleichzeitig auch Quantifizieren mehrerer Zielsubstanzen. In der Medizin können die Panels durchaus 15 bis 20 Analyte umfassen, die in einem Analyselauf gleichzeitig quantifiziert werden. Unser Panel für Psychopharmaka beispielsweise besteht aus 15 Analyten mit deren Metaboliten. In der Lebensmitteltechnik können das sogar Hunderte von Pestizidassays sein, die in einem Durchlauf gemessen werden.
Ein weiterer Vorzug der Massenspektrometrie ist ihre Flexibilität. Wir haben es nicht mit (temperatur-) empfindlichen Antikörpern zu tun, sondern mit äußerst stabilen Isotopen (interne Standards). Auch die Methodenentwicklung im eigenen Labor ist relativ geradlinig und kann zielgenau, flexibel und schnell erfolgen. Auf Basis der Reinsubstanz eines neuen Zielanalyten (beispielsweise eines neuen Pharmakons) und des von der Industrie zur Verfügung gestellten dazugehörigen Standards, kann dies innerhalb weniger Tage gelingen. Rechnet man die Evaluation mit, dauert es im Inhouse-Bereich ein paar Wochen, bis man einen zuverlässigen Test hat. Das ist ein wichtiger Fortschritt, denn dies erlaubt es den akademischen Laboren, kurzfristig höchst leistungsfähige Analysemethoden als Lab Developed Tests einzuführen.
Massenspektrometrie-Verfahren sind nach wie vor aufwändig und umfassen viele Arbeitsschritte. Insbesondere eine sorgfältige Probenvorbereitung ist unverzichtbar. Zudem braucht es vor der eigentlichen Analyse eine Fraktionierung mittels Chromatographie. Konkret müssen Labore folgende Schritte unternehmen, um die Komplexität der Probe zu verringern:
Schritt 1 (Extraktion): In der Probenvorbereitung kann man die Proteinfällung zur Abreicherung der Matrix nutzen. Des Weiteren können bei Bedarf weitere Extraktionstechniken eingesetzt werden. Diese sind aber mit mehr Prozessschritten und höherem Aufwand verbunden. Dazu gehören unter anderem: Flüssigphasenextraktion und die im klinischen Labor weit verbreitete, allerdings aufwändige und kostspielige Festphasenextraktion in der Mikrotiterplatte. Entscheidend für die Auswahl der geeigneten Methode sind die Anforderungen des Assays an das Abreichern der Matrix und das Anreichern der Zielsubstanz.
Schritt 2 (Auftrennung): Danach erfolgt die Fraktionierung der Probe mittels Chromatographie zur Reduktion der Komplexität der Probe. Je nach Anforderung an die Detektion ist dies mehr oder weniger aufwändig: So braucht man bei einem wenig spezifischen Detektor wie beispielsweise bei der UV-Detektion eine gute chromatographische Auftrennung, die lange dauert. Umgekehrt kann man bei diesem Schritt Zeit sparen, wenn der Detektor hoch spezifisch ist, wie bei der Massenspektrometrie.
Schritt 3 (Molekülfragmentation): In der eigentlichen Selektion und Messung geht es wie oben beschrieben nicht um reine Massendetektion. Durch den Einsatz eines Tandem-Massenspektrometers basiert die Detektion zunächst auf einer Selektion eines Ausgangions der Zielsubstanz, das im nächsten Schritt durch eine Kollision fragmentiert wird. Von den entstehenden Fragmenten wird schließlich im letzten Schritt wieder eine Selektion anhand des Masse-zu-Ladungs-Verhältnis vorgenommen und nur diese Ionen gelangen zum Detektor. Das heißt, für die Quantifizierung wird das Fragmentationsmuster (von dem Ausgangs-Ion zu einem Fragment-Ion) des jeweiligen Analyten zugrunde gelegt.
Der Nachteil aller unter Schritt 1 beschriebenen Extraktions-Techniken ist, dass alle mit unterschiedlichen Phasen arbeiten, was viel Zeit benötigt und eine Herausforderung für die Automatisierung darstellt. Dies gilt besonders für die Flüssigphasenextraktion. Im Projekt von Roche gemeinsam mit der LMU gehen wir einen völlig anderen, innovativen Weg. Wir verwenden paramagnetische Partikel mit definierten Oberflächen (zum Beispiel Kohlenwasserstoffketten mit einer Länge von 18 Kohlenstoffen, C18) für die Extraktion des Analyten.
Die Arbeitsschritte dieses neuartigen Extraktionsverfahren starten mit dem Mischen von Probe, internem Standard und Pufferlösung. Dabei ist die Isotopenverdünnungstechnik bei der Zugabe des internen Standards der qualitätsrelevante Schritt. Durch die Zugabe einer definierten Menge des markierten Standards in die Probe können wir eine Konzentrationsratio zwischen Zielsubstanz und ihrem internen Standard herstellen, an der sich in der ganzen Prozesskette nichts mehr ändern wird. Im Anschluss kommen die Magnetpartikel mit definierter Oberfläche ins Spiel. Diese Magnetpartikel werden zugegeben und mit der Probe intensiv durchmischt. Sowohl der eigentliche Zielanalyt als auch der markierte interne Standard binden an diese Magnetpartikel. Jetzt wird ein Permanentmagnet eingesetzt, der diese Magnetpartikel im Reaktionsgefäß immobilisiert. Die Analyten sind damit an die feste Phase gebunden, die verbleibende Probe mit anderen Komponenten kann jedoch als Flüssigkeit pipettiert werden – ein großer Vorteil. Die Matrix lässt sich damit einfach abpipettieren und es können im Grunde beliebig viele Waschschritte folgen. Dazu werden einfach die Magneten wieder entfernt, die Magnetpartikel zuerst resuspendiert und dann wieder immobilisiert.
Beim Extraktionsverfahren mit paramagnetischen Partikeln ist die Durchdringung der Magnetpartikel mit der Probe viel besser als bei der Verwendung fester, gepackter Extraktionskartuschen. Somit ist die Extraktion mit magnetischen Partikeln hoch effizient und man braucht nur eine geringe Menge an Partikeln für die Durchführung. Die Arbeitsschritte lassen sich zudem exzellent parallelisieren und man kann zahlreiche Extraktionstreams simultan abarbeiten. Das wiederum kann auch gekoppelt werden mit einer parallelisierten chromatographiebasierten Fraktionierung. Daraus resultieren hohe Durchsatzzahlen, die mit den bisherigen konventionellen Probenvorbereitungstechniken unerreichbar waren. Zudem ist der Workflow auf Basis von Magnetpartikeln einzelprobenbasiert. Dies ermöglicht es, dass man nicht mehr wie bisher in Batches arbeiten muss, sondern auch im Random Access analysieren kann.
Der Einsatz von paramagnetischen Partikeln für die Probenvorbereitung ist ein Gamechanger für die klinische Massenspektrometrie. Präzision, Schnelligkeit und die Möglichkeit, Proben im Random-Access-Modus zu bestimmen, eröffnen neue Möglichkeiten für den Einsatz der Massenspektrometrie in der Klinik, beispielsweise das Monitoring von Medikamentenspiegeln, insbesondere in der Intensivmedizin. Kliniker:innen sehen hier häufig, dass bei kritisch kranken Patient:innen die gewünschten Konzentrationen nicht erreicht werden. Hier bringt ein in die Routine integriertes, hoch effizientes und jederzeit verfügbares Analysegerät mit kurzen Analysezeiten extrem wertvolle klinische Vorteile.
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