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Investitionen in die Digitalisierung sowie in eine moderne technische Ausstattung der Krankenhäuser wurden in den letzten Jahren vielfach vernachlässigt. Das Resultat ist besorgniserregend: Aktuell sind die rund 2.000 Häuser in Deutschland nicht in der Lage, die für die Digitalisierung nötigen Investitionen zu tätigen.1 Das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) soll hier Abhilfe schaffen und die Digitalisierung in den Krankenhäusern zügig voranbringen. Dafür stellen Bund und Länder insgesamt 4,3 Milliarden Euro zur Verfügung. Eine Untersuchung nimmt nun den zu erwartenden Nutzen, aber auch die Grenzen der Förderung im Rahmen des KHZG aus der Perspektive der Krankenhäuser in den Blick. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf digitalen Lösungen in der Krebsmedizin.

Ein Beitrag von Annika Kohler, Master of Science (im Studiengang Versorgungssteuerung im Gesundheitswesen – Healthcare Management), Junior Projektmanagerin bei der Healthcare Deutschland GmbH

In der Onkologie zeigt sich besonders deutlich, welches Potenzial in digitalen Lösungen steckt. Sie sind unabdingbar, um vom enormen Wissenszuwachs zu profitieren, die immensen Datenmengen zu interpretieren und letztlich die passgenaue Therapie für einen Patienten zu finden. Digitale Lösungen unterstützen zudem den multidisziplinären Ansatz in der Krebsbehandlung und fördern so eine fundierte Entscheidungsfindung im komplexen Bereich der Krebstherapie. Intelligente, digitale CDS-Systeme (Clinical-Decision-Support-Systeme) können Onkologen bei der Wahl der richtigen Therapie effektiv unterstützen, indem sie die komplexen Daten analysieren und zielgerichtete Therapieoptionen vorschlagen.

Im Rahmen meiner Masterthesis für den Studiengang „Versorgungssteuerung im Gesundheitswesen – Health Care Management“ an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen habe ich deshalb den Schwerpunkt auf die Onkologie gelegt und die „Digitalisierung in der Krebstherapie in deutschen Krankenhäusern“ in den Fokus genommen. Dabei habe ich Vertreter von sechs Krankenhäusern in Deutschland befragt, wie sie sich speziell in der Krebstherapie die zukünftige digitale Ausrichtung ihrer Häuser vorstellen, woran es aktuell akut mangelt und wofür sie die von Bund und Ländern im Rahmen des KHZG bereitgestellten Mittel einsetzen wollen.

Das im Oktober 2020 in Kraft getretene KHZG setzt das von der großen Koalition beschlossene „Zukunftsprogramm Krankenhäuser“ um.2 Ziel ist eine bessere Versorgung der Patienten bei gleichzeitig höherer Sicherheit. Hintergrund ist der Investitionsstau, der sich innerhalb des dualen Finanzierungssystems durch Bund und Länder gebildet und zu erheblichen digitalen Rückständen geführt hat. Um diese aufzuholen, wurden im Rahmen des KHZG elf sogenannte Fördertatbestände formuliert, die definieren, welche digitalen Vorhaben gefördert werden können. Dazu gehören beispielsweise Investitionen in moderne Notfallkapazitäten, in eine bessere digitale Infrastruktur, in Patientenportale, Cloud-Computing-Systeme oder auch in klinische Entscheidungsunterstützungssysteme.

Das KHZG bietet Krankenhäusern somit die Chance, ihre eigenen Digitalisierungsvorhaben mit Hilfe von Fördermitteln umzusetzen und zu finanzieren. Doch wie kommt das Geld an – und wie weit reicht es? Welche Hürden und Probleme gibt es bei Beantragung und Realisierung der Vorhaben? Werden die Mittel auch eingesetzt, um die Digitalisierung speziell in der Krebstherapie voranzubringen? Was wünschen sich und brauchen die Mediziner in Sachen Digitalisierung für eine optimale Patientenversorgung?

Die befragten Experten bewerten das KHZG grundsätzlich als Chance für die Digitalisierung im Krankenhaus. Jedoch sind die Mittel bei weitem nicht ausreichend und den Häusern fehlt damit Planungssicherheit.

Zu diesen Fragen rund um das KHZG gibt es bisher wenig veröffentlichte Dokumente, Auswertungen oder Fachliteratur. Zudem geht es überwiegend um hausinterne Daten. Deshalb habe ich für meine Masterarbeit leitfragengestützte Experteninterviews geführt und sie mit Hilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Die ausgewählten Experten sollten gemäß ihren Funktionen im Krankenhaus das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten können. Neben Ärzten habe ich deshalb auch Vertreter der Geschäftsleitungsebene sowie der Managementebene befragt. Kenntnisse über strategische, gesundheitspolitische oder digitale Themen waren ebenso gefragt wie spezifisches Fachwissen im Bereich Onkologie.

Der Interviewleitfaden deckte vier Hauptkategorien ab: In der ersten Kategorie kamen die zukünftige digitale Ausrichtung der Krankenhäuser unter Berücksichtigung des KHZG, der aktuelle Digitalisierungsgrad sowie die geplante Einführung und Finanzierung digitaler Lösungen zur Sprache. In der zweiten Kategorie standen Fragen zu den aktuellen Herausforderungen im onkologischen Therapieentscheidungsprozess im Vordergrund. In der dritten Kategorie ging es um den potenziellen Nutzen digitaler Lösungen im onkologischen Therapieentscheidungsprozess. In der abschließend vierten Kategorie wurde über den Bedarf zukünftiger digitaler Lösungen in der Krebstherapie diskutiert sowie persönliche Einschätzungen und Wünsche abgefragt.

Die befragten Experten bewerten das KHZG grundsätzlich als Chance für die Digitalisierung im Krankenhaus. Sie sehen es als Anschub, sich mit der Thematik zu befassen. Die Bereitstellung der finanziellen Mittel kann es Krankenhäusern dabei ermöglichen, jetzt Dinge in Angriff zu nehmen, die sonst nicht finanzierbar wären. Ein wesentlicher Knackpunkt des Gesetzes ist jedoch die Tatsache, dass nur Projekte gefördert werden, die zum Zeitpunkt der Antragsstellung noch nicht begonnen wurden. Krankenhäuser, die bereits vor dem Start des KHZG in die Digitalisierung investiert haben, werden damit gewissermaßen bestraft. Hinzu kommt der Zeitdruck bei der Antragsstellung. Der zeitliche Aufwand ist sehr groß, gleichzeitig mangelt es gerade im IT-Bereich häufig an Ressourcen. So sind eine kurzfristige Beantragung und Umsetzung von Projekten für die Häuser sehr schwierig. Darüber hinaus bietet das KHZG gemäß den Experten zwar eine gute Anschubfinanzierung. Die Mittel sind jedoch bei weitem nicht ausreichend, um den Finanzierungsstau langfristig zu beheben. Damit fehlt den Häusern die Planungssicherheit.

Bis auf einen Befragten, gingen alle Experten davon aus, dass ihre Häuser das KHZG nutzen und entsprechende Projekte beantragen werden. Dazu gehören allgemeine Infrastrukturmaßnahmen, der Aufbau von Patientenportalen oder die digitale Dokumentation mithilfe einer komplett elektronischen Patientenakte. Zu den beantragten Systemen gehört auch das Produkt Viewics, eine digitale Lösung im Bereich Business Analytics für Labore und Kliniken, die es erlaubt, Daten aus unterschiedlichen Systemen zu integrieren. Zwei Häuser planen darüber hinaus Projekte zur Digitalisierung der Krebstherapie. So berichtete ein Experte davon, mit dem NAVIFY® Tumor Board ein CDS-System für Tumorerkrankungen beantragt zu haben. Ein anderes Haus möchte die onkologische Therapieplanung und -begleitung sowie die Zytostatikaherstellung durch eine neue Software (cato®) unterstützen.

Allgemein wird der Digitalisierungsgrad in der Krebstherapie von den Experten noch als überwiegend niedrig eingeschätzt, wobei der Bedarf für die Zukunft durchaus gesehen wird. Dabei spielen vor allem virtuelle Tumorboards eine Rolle, um die Ärzte zu entlasten. Die Herausforderungen im Therapieentscheidungsprozess werden sich jedoch durch virtuelle Tumorboards allein nicht bewältigen lassen. Die befragten Experten sehen sich mit weiteren Herausforderungen konfrontiert, beispielsweise dem Fehlen strukturierter Daten oder dem Mangel an Zeit, um die Patienten im Therapieprozess mitnehmen zu können. CDS-Systeme, die als lernende Systeme den Arzt und seine Erfahrung erkennen und das vorhandene Fachwissen gezielt durch zusätzliche Informationen ergänzen, könnten dabei gut unterstützen. Alle den Patienten betreffende Informationen sollten in einem solchen System strukturiert und gebündelt abrufbar sein, darunter Veränderungen im Krankheitsbild, Therapiesituationen, Vergleichsstudien, eigene Erfahrungen und die Verknüpfung mit der elektronischen Patientenakte (ePA). Gerade das Zusammenführen der Daten ist aufgrund fehlender Schnittstellen zurzeit sehr aufwendig und kostet viel Zeit, die die Mediziner lieber in die Betreuung der Patienten investieren würden.

Die Experten sind sich einig: Der Einsatz digitaler Lösungen bietet die Möglichkeit, den onkologischen Therapieentscheidungsprozess effizienter zu gestalten, Ärzte zu entlasten und Patienten optimal in ihrer Therapie zu unterstützen. Um passgenaue Lösungen nach den Bedürfnissen der Behandler bereitstellen zu können, wäre eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Industriepartnern und den ärztlichen Anwendern wünschenswert. Durch Co-Creation-Prozesse, also eine gemeinschaftliche Zusammenarbeit, welche die Einbindung der Anwender in die Produktgestaltung und -entwicklung erlaubt, könnten neue Lösungswege definiert werden. Essenziell für die Umsetzung und den Erfolg sind darüber hinaus weitere Finanzierungshilfen durch den Gesetzgeber, ein vereinfachter Informations- und Datenaustausch durch das Schaffen standardisierter Daten sowie die Etablierung eines digitalen Bewusstseins. Denn ohne digitale Lösungen wird in Zukunft eine fundierte Entscheidungsfindung speziell in der Krebstherapie nicht mehr möglich sein.

Disclaimer: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in den Texten nur das generische Maskulinum verwendet. Es sind damit alle Personen unabhängig von ihrem Geschlecht gemeint.

Quellen

  1. Werner, J. (2020): Gastbeitrag. Smart und menschlich [PDF], online unter:
    https://medical-influencer.de/wp-content/uploads/2020/12/Handelsblatt-Topic-Medizin-der-Zukunft-20.11.2020.pdf, S. 6

  2. Bundesministerium für Gesundheit (2020): Krankenhauszukunftsgesetz für die Digitalisierung von Krankenhäusern, online unter:
    www.bundesgesundheitsministerium.de/krankenhauszukunftsgesetz.html

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