Der Blutfettbestandteil Lipoprotein (a) ist ein unabhängiger Risikofaktor für Atherosklerose. Welchen Stellenwert hat Lp(a) in der kardiologischen Praxis und welche diagnostischen und therapeutischen Optionen gibt es?
Manche kardiologische Patient:innen bringen ungewöhnliche Krankheitsgeschichten mit sich – Fälle, in denen ein genauerer Blick auf die Blutfette sinnvoll wäre. So wie bei dem 54-jährigen Patienten, dessen bildgebende Untersuchung eine dramatische Koronare Herzerkrankung mit perlschnurartigen Veränderungen ergab. Bereits mit 37 hatte der Patient einen Myokardinfarkt erlitten und wurde daraufhin medikamentös gut eingestellt. Trotzdem schritt seine Erkrankung weiter voran. Der Patient ist normalgewichtig, der Blutdruck und die LDL-Werte sind seit Jahren gut eingestellt. Er raucht nicht und hat keinen Diabetes mellitus – kurz gesagt: Die traditionellen Risikofaktoren des Patienten erklären das immer wieder progrediente Krankheitsbild nicht. Ist in einem solchen Fall der Blick auf den Lp(a)-Wert angebracht? Was ist eigentlich Lp(a)? Wann lohnt es sich, LP(a)-Werte der Patient:innen zu bestimmen?
Lp(a) gehört zum einen zu den Lipoproteinen, zum anderen hat es strukturell eine hohe Ähnlichkeit zu Plasminogen. Lp(a) ist ein im Vergleich zu LDL großes Molekül. Es besteht aus sehr vielen Lipidmolekülen und zwei Apolipoproteinen: Apolipoprotein B-100, das auch Bestandteil des LDL ist, und Apolipoprotein(a), welches eine hohe Variabilität aufweist und nicht selten wie ein langer Schwanz an den Partikel gebunden ist. Aufgrund der hohen Variabilität des Apolipoprotein(a) kann Lp(a) sehr unterschiedliche Molekularmassen aufweisen. Daher ist eine Messung in nmol/l deutlich sinnhafter als die traditionelle Messung in mg/dl.
Lp(a) ist im Wesentlichen genetisch determiniert. Hohe Konzentrationen kommen weltweit in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen vor und werden durch Änderungen des Lebensstils kaum beeinflusst.
Lp(a) wirkt inflammatorisch und ist mit Atherosklerose und einem erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert. Das Molekül bewirkt aufgrund von strukturellen Analogien zu Plasminogen neben den klassischen entzündlichen Prozessen auch eine Thrombozytenaktivierung sowie eine Aktivierung des plasmatischen Gerinnungssystems. Dies führt zu einer vergleichsweise starken proarteriosklerotischen Wirkung.
In einem Konsensuspapier der Europäischen Atherosklerose Gesellschaft (EAS) schlagen die Experten einen pragmatischen Ansatz vor: Werte unter <75 nmol/L (30 mg/dl) gehen wahrscheinlich nicht mit einem erhöhten Risiko einher- und Werte >125 nmol/l (>50 mg/dL) sind eindeutig mit einem erhöhten Risiko assoziiert. Die dazwischenliegende Grauzone ist besonders relevant, wenn andere Risikofaktoren vorliegen.¹
Untersuchungen wie beispielsweise die Boston-Studie sowie eine Analyse der Copenhagen Heart Study ergaben, dass etwa 20 bis 30 Prozent der Menschen einen erhöhten Lp(a)-Wert von über 30 mg/dl bzw. 75 nmol/l aufwiesen.² ³
Mit Blick auf die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen empfiehlt sich die einmalige Messung der Konzentration des Lipoprotein (a) bei allen erwachsenen Personen, um diejenigen mit hohem kardiovaskulären Risiko zu identifizieren. Dies ist natürlich besonders wichtig bei Menschen mit bereits bestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder familiärer Hypercholesterinämie. Diese Empfehlung beruht auf dem aktuellen Konsensuspapier der EAS.¹
Bei der Anwendung kommerzieller Lp(a)-Assays sollte man sich vergegenwärtigen, dass aktuelle Tests derzeit unterschiedlich standardisiert sind und nicht ohne weiteres ineinander umgerechnet werden können.
Da der Aufbau des Lp(a)-Moleküls und somit seine molare Masse stark variieren kann, empfiehlt u. a. die ESC/EAS-Leitlinie, die Bestimmung der Lp(a)-Konzentration, wenn möglich, in nmol/l vorzunehmen. Dafür spricht auch, dass die Atherogenität von Lp(a) vor allem durch die Partikelzahl und nicht durch die Partikelgröße bestimmt wird.¹
Eine wirksame medikamentöse Behandlung einer Lp(a)-Erhöhung existiert bisher noch nicht. Die zur Behandlung der LDL-Hypercholesterinämie hoch effektiven Statine reduzieren den Lp(a)-Spiegel nicht. Andere Lipidsenker wie PCSK-9-Hemmer zeigen nur moderate Effekte auf Lp(a). Für die in Deutschland für Patient:innen mit Lp(a)-Erhöhung und wiederholten kardiovaskulären Ereignissen häufig angebotene Lipidapherese zur Lp(a)-Senkung gibt es derzeit nur wenige belastbare Daten.
Daher sollte man bei Patient:innen mit hohen Lp(a)-Werten die anderen ”traditionellen” kardiovaskulären Risikofaktoren so gut wie möglich einstellen. Denn Blutdruck, LDL-Spiegel, Raucherstatus und auch die Diabeteseinstellung beeinflussen das kardiovaskuläre Gesamtrisiko und sind eindeutig prognoserelevant. Aktuell werden mehrere Moleküle in klinischen Studien getestet, die darauf abzielen, den LP(a)-Wert zu senken.⁴ Ob diese Lp(a)-Senker auch tatsächlich klinische Ereignisse reduzieren, bleibt abzuwarten.
Lp(a) ist nach epidemiologischen Daten ein Risikomarker für ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko unabhängig von den traditionellen Risikofaktoren. Die Lp(a)-Bestimmung führt zur Re-Klassifizierung des Patient:innenrisikos und sollte bei erhöhten Werten eine intensivierte Risikofaktormodifikation nach sich ziehen. Die einmalige Bestimmung des Lp(a)-Werts zur Abschätzung des arteriosklerotischen Gesamtrisikos wird daher von führenden Fachgesellschaften empfohlen.
Kronenberg, F., Mora, S., Stroes, E. S. G., Ference, B. A., Arsenault, B. J., Berglund, L., Dweck, M. R., Koschinsky, M., Lambert, G., Mach, F., McNeal, C. J., Moriarty, P. M., Natarajan, P., Nordestgaard, B. G., Parhofer, K. G., Virani, S. S., Von Eckardstein, A., Watts, G. F., Stock, J. K., . . . Catapano, A. L. (2022). Lipoprotein(a) in atherosclerotic cardiovascular disease and aortic stenosis: a European Atherosclerosis Society consensus statement. European Heart Journal, 43(39), 3925–3946. https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehac361
Berman, A. N., Biery, D. W., Besser, S. A., Singh, A., Shiyovich, A., Weber, B. N., Huck, D. M., Divakaran, S., Hainer, J., Kaur, G., Blaha, M. J., Cannon, C. P., Plutzky, J., Januzzi, J. L., Booth, J. N., López, J. A. G., Kent, S. T., Nasir, K., Di Carli, M. F., . . . Blankstein, R. (2024). Lipoprotein(a) and Major Adverse Cardiovascular Events in Patients With or Without Baseline Atherosclerotic Cardiovascular Disease. Journal Of The American College Of Cardiology, 83(9), 873–886. https://doi.org/10.1016/j.jacc.2023.12.031
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Pirillo, A. & Catapano, A. L. (2025). Lipoprotein (a): A new target for pharmacological research and an option for treatment. European Journal Of Internal Medicine. https://doi.org/10.1016/j.ejim.2025.07.021
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