Der Fachkräftemangel ist auch im medizinischen Labor spürbar: Mitunter dauert es fast ein Jahr, bis eine offene Stelle wieder besetzt ist. Das führt zu Überstunden und Mehrbelastung. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Neben der demografischen Entwicklung und Faktoren wie Gehalt und Schichtarbeit, gibt es Handlungsbedarf bei der Ausbildung der medizinisch-technischen Berufe. Nicht zuletzt spielen auch die Bekanntheit und Wertschätzung des Berufsbildes der Medizinischen Techniker:innen (MT) eine entscheidende Rolle.
Ein Beitrag von Carola Jaster, Prokuristin und Abteilungsleiterin bei MVZ Labor 28 GmbH, Berlin und Leiterin des Labor 28 Potsdam MVZ GmbH
Die SARS-CoV2-Pandemie brachte es an den Tag: Die Labore und damit auch die Fachkräfte der MT-Berufe leisten einen wesentlichen Beitrag für die Gesundheitsversorgung. Schon zu Beginn, als viele die Pandemie noch unterschätzten, begannen Labormediziner und -fachleute damit, eine umfangreiche Analytik zur Diagnostik des Erregers zu entwickeln. Testkapazitäten wurden geschaffen und stetig weiter ausgebaut. Labore stellen zudem Ressourcen zur Virusgenomsequenzierung zur Verfügung, um auch neue Varianten zu erfassen. Die Pandemie hat damit als Brennglas fungiert und für die breite Öffentlichkeit sichtbar gemacht, wie sehr Diagnosen, Verlaufskontrollen und Nachbetreuung von Erkrankten von der Arbeit medizinischer Technikerinnen und Techniker abhängt. Dabei brachte die Pandemie viele Labore und deren Mitarbeitende an den Rand ihrer Kapazitäten und machte damit den Fachkräftemangel im Laborbereich deutlich spürbar.
Der Fachkräftemangel in den MT-Berufen ist dabei kein neues Phänomen. Nach einer Studie des deutschen Krankenhausinstituts (DKI) von 2019 beläuft sich der Mehrbedarf an MTA-Stellen bis 2030 alleine für die Kliniken auf knapp 13.000 Vollzeitkräfte. Laut der Studie haben 46 Prozent der Krankenhäuser Probleme bei Stellenbesetzungen in den Berufsgruppen MTRA, MTFA, MTLA. Auch in den Statistiken der Bundesagentur für Arbeit (BA) zeigt sich die angespannte Situation. Zwar ist darin das Verhältnis von Arbeitslosen und offenen Stellen in den medizinisch-technischen Berufen nahezu ausgeglichen. Stellt man jedoch in Rechnung, dass in der BA-Statistik nicht alle offenen Stellen gemeldet und erfasst wurden, zeigt sich auch hier ein Mangel an Fachkräften.
Im niedergelassenen Bereich ist die Besetzung offener Stellen ebenfalls schwieriger geworden. Wo vor zehn Jahren noch weit über zehn Bewerbungen auf eine ausgeschriebene Stelle vorlagen, melden sich heute durchschnittlich zwei qualifizierte Bewerber. Die Besetzung von ausgeschriebenen Stellen kann bis zu einem Jahr dauern. Dabei sind die Bereiche Basislabor und Präanalytik schwerer zu besetzen als die Spezialbereiche.
Die daraus entstehende Mehrbelastung für die verbleibenden Teammitglieder des betreffenden Labors kann eine höhere Krankheitsanfälligkeit zur Folge haben – und damit eine negative Spirale in Gang setzen, die sich nur durch die schnelle Neubesetzung der vakanten Positionen auflösen ließe. Gerade die Corona-Situation hat das besonders deutlich gemacht.
Warum ist es so schwer für Labore, geeignete Nachwuchskräfte zu finden? Ein Hauptgrund liegt darin, dass der MTL-Beruf in der allgemeinen Wahrnehmung zu wenig sichtbar ist und wertgeschätzt wird. Sie arbeiten im Hintergrund und haben selten direkten Kontakt zu Patienten. Darüber hinaus verschärft die demografische Entwicklung die Situation. Die geburtenstarken Jahrgänge verabschieden sich in den wohlverdienten Ruhestand, wodurch in kurzer Zeit viele freie Stellen entstehen. Es gelingt jedoch bislang nicht, im gleichen Maße Schulabgänger für eine MT-Ausbildung zu gewinnen. Dazu kommt, dass viele Bewerber ein falsches Bild von der Arbeit im Labor haben und das Ausmaß der Automatisierung und Digitalisierung unterschätzen. Bringen sie die geforderte Affinität zu Technik und IT nicht mit, kann das auch zum Abbruch der bereits begonnenen Ausbildung führen.
Labor 28 ist Teil des Sonic Healthcare Germany Verbundes und tätig in den Bereichen Labormedizin, Mikrobiologie und Hygiene. Mit rund 300 Mitarbeitenden bietet Labor 28 ein breites Spektrum an analytischen Verfahren für ärztliche, zahnärztliche ambulante oder stationäre Einrichtungen an. Des Weiteren werden die Leistungen sowohl von arbeitsmedizinischen und pharmazeutischen Institutionen wie auch Privatpersonen in Anspruch genommen. Labor 28 arbeitet darüber hinaus mit Partnerlaboren zusammen, um auch die Analytik sehr seltener Untersuchungen schnell und unkompliziert zu organisieren. Zu den Partnerlaboren gehören vor allem die Labore des Verbundes sowie das Labor Berlin.
Ein weiterer Grund für den Mangel an Nachwuchs ist aktuell auch noch die Finanzierung der Ausbildung. An vielen MT-Schulen müssen die Auszubildenden ein Schulgeld aus eigener Tasche bezahlen. Das MTA-Reformgesetz, das Anfang 2023 in Kraft treten soll, hat diesbezüglich wichtige Änderungen auf den Weg gebracht. Auszubildende sollen künftig einen Ausbildungsvertrag und eine angemessene Vergütung erhalten, auch Schulgeld soll dann nicht mehr erhoben werden.
Nicht zuletzt spielt auch die Gehaltsstruktur der Branche sowie die Arbeitsbedingungen eine Rolle. Zur Arbeit im Labor gehören auch Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdienste. Flexible, familienfreundliche Arbeitszeiten sind dort schwerer umzusetzen.
Um junge Menschen für MT-Berufe zu gewinnen, muss das Berufsbild besser bekannt gemacht und erklärt werden. Dafür bieten sich Berufsinformationstage an Schulen oder Berufsmessen an, die es bestmöglich zu nutzen gilt. Viele junge Menschen suchen einen Beruf, der sinnstiftend ist und wollen einen gesellschaftlichen Beitrag leisten. Es ist deshalb essenziell zu zeigen, welchen Beitrag die Mitarbeitenden im Labor für das Gesundheitswesen leisten – und das nicht nur während der Corona-Pandemie. Darüber hinaus ist es wichtig zu vermitteln, dass MT-Berufe technisch anspruchsvoll sind und es Karrieremöglichkeiten, aber auch vielfältige Wege zur fachlichen Weiterentwicklung und Spezialisierung gibt.
Das MTA-Reformgesetz wird kein Allheilmittel gegen den Fachkräftemangel sein, doch es ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Neben der verbesserten finanziellen Situation der Auszubildenden wird die praktische Ausbildung in den Unternehmen ausgeweitet, um so frühzeitig ein realistisches Bild des zukünftigen Berufs zu vermitteln. Darüber hinaus wird das Gesetz die Prüfung gleichwertiger ausländischer Abschlüsse und deren Anerkennung erleichtern, um so einen Mangel an inländischen Bewerbern auszugleichen. Um dem Fachkräftemangel wirkungsvoll zu begegnen, ist zudem eine verbesserte Durchlässigkeit für andere Berufsabschlüsse sinnvoll, damit sich qualifizierte Fachkräfte wie Biologisch oder Chemisch Technische Assistenten für MT-Berufe qualifizieren können, ohne die komplette Ausbildung durchlaufen zu müssen.
Durch die Corona-Pandemie sind neben der Ärzteschaft und dem Pflegepersonal auch die Vertreter der MT-Berufe ins Blickfeld der Gesellschaft gerückt. Eine Phase erhöhter Aufmerksamkeit und Wertschätzung vermag es jedoch nicht, die Attraktivität des Berufsbildes dauerhaft zu stärken. Eine den anspruchsvollen Aufgaben gerecht werdende Bezahlung, die Möglichkeit des Ausgleichs nach Belastungsphasen, moderne Schichtsysteme und Wertschätzung in der Öffentlichkeit wünschen sich viele MTs. Und das nicht nur in Zeiten der Pandemie. Die Gesellschaft braucht das Engagement der MT-Fachleute und diese brauchen ein Klima der Wertschätzung und gute Arbeitsbedingungen, um ihren sinnstiftenden Beruf ausüben zu wollen und zu können.
Disclaimer: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in den Texten nur das generische Maskulinum verwendet. Es sind damit alle Personen unabhängig von ihrem Geschlecht gemeint.
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