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„Sie bieten Change Management an? Heißt das, Sie schicken jemanden mit Taschentüchern durch das Labor, der sich um die Tränen der Mitarbeiter kümmert?“ Mit solch mehr oder minder ernst gemeinten Fragen werden Projektmanager von Roche Healthcare Consulting* (RHC) schon mal konfrontiert. Es existieren viele Missverständnisse zum Begriff, den Möglichkeiten und der Tragweite des Change Managements. Die folgenden Ausführungen bringen Licht ins Dunkel.

Bei ihren intensiven Beratungsprojekten treffen die RHC-Experten auf verschiedene Menschen aus unterschiedlichen Ebenen einer Organisation. In Laborinstituten zeigt sich organisatorisch meist eine der folgenden Ausrichtungen, die hier archetypisch skizziert sind:

  • Es gibt Institute, in denen ein gutes Arbeitsklima kultiviert und gelebt wird. Die offene Kommunikation auf Augenhöhe zwischen Führungsebene und Mitarbeitenden steht im Vordergrund. Führungskräfte wertschätzen ihr Team und schenken Vertrauensvorschuss. Die Mitarbeitenden fühlen sich über Vorhaben und Entscheidungen gut informiert und spiegeln Wertschätzung und Vertrauen zurück. In aller Regel sind solche Institute auch bei den Arbeitsprozessen sowie der technischen Ausstattung gut bis sehr gut aufgestellt. Die Menschen dort begegnen Ideen und Anregungen von außen mit großer Offenheit und begnügen sich nicht mit einem Status Quo. Als Arbeitgeber verfügen diese Häuser wegen ihrer starken Anziehungs- und Bindungskraft über einen klaren unternehmerischen Vorteil in Zeiten von Fachkräftemangel.

  • Demgegenüber stehen Institute, bei denen dem aufmerksamen Besucher schon beim Betreten das schwierige und belastete Arbeitsklima entgegenweht. Mitarbeitende beklagen sich im Gespräch, dass sie von der Führungsebene über Entscheidungen und mögliche Veränderungen im Unklaren gelassen werden, selbst wenn diese ihren eigenen Arbeitsplatz betreffen. Solche Menschen werden regelrecht dazu getrieben, auf jede Entscheidung und jede berufliche Veränderung mit Skepsis und Ablehnung zu reagieren. Das wiederum verstärkt bei den Führungskräften die Haltung, Entscheidungen lange geheim zu halten, sie irgendwann „von oben herab“ zu verkünden und als unangenehm empfundene Gespräche zu vermeiden. Es herrscht ein Teufelskreis, der das Arbeitsklima zunehmend vergiftet und Unzufriedenheit auf allen Ebenen befeuert. Weiterentwicklungen werden entweder ganz behindert oder nur mit großem Kraftakt aller Beteiligten und enormen Reibungsverlusten vorangetrieben.

In umgekehrter Reihenfolge des bekannten Sprichworts gilt daher für Veränderungsprozesse: Schweigen ist Silber, Reden ist Gold.

Bei jeder Veränderungsinitiative ist auch mit Widerstand zu rechnen. Ihn zu ignorieren ist zwecklos.

Widerstand zu leisten ist eine natürliche, häufig sinnvolle, manchmal überlebenswichtige Eigenschaft des Menschen. In dieser Erkenntnis liegt ein entscheidender Erfolgsfaktor für die Zusammenarbeit im Unternehmen und darüber hinaus. Bei jeder Veränderungsinitiative ist damit zu rechnen, dass das Vorhaben zumindest bei einigen Beteiligten zunächst auf Gegenwehr stößt. Widerstand zu ignorieren ist zwecklos, denn es führt zu Blockaden, die ein Projekt gänzlich zum Scheitern bringen können.

Change Management (deutsch Veränderungsmanagement) umfasst alle Aufgaben, Maßnahmen und Tätigkeiten, die eine umfassende, bereichsübergreifende, inhaltlich weitreichende Veränderung zur Umsetzung neuer Strategien, Strukturen, Systeme, Prozesse und Verhaltensweisen in einer Organisation bewirken sollen.1 Widerstände zu erkennen, aufzugreifen und zu kanalisieren ist dabei ein essentieller Erfolgshebel. Beim richtigen Umgang mit Widerständen spricht man im Change Management auch vom „Judo-Prinzip“. Wörtlich übersetzt bedeutet Judo: „Der sanfte Weg“ und setzt auf maximale Wirkung bei minimalem Aufwand. Beim Judo wird die Kraft eines starken Kampfgegners durch geschicktes Ausweichen und den durchdachten Einsatz von Hebelwirkungen umgedreht und zum eigenen Vorteil verwendet. Nach dem Judo-Prinzip können auch Partner und Freunde respektvoll und verletzungsfrei miteinander kämpfen.

Wenn Veränderungsvorhaben scheitern, liegt es oft daran, dass für den ein oder anderen Beteiligten ihr Sinn und Zweck nicht erkennbar ist. Moderne Unternehmen (wie auch moderne Menschen) agieren zweckgetrieben ("driven by purpose"), d. h. sie stellen einen höheren Sinn in den Mittelpunkt ihres Wirkens. Das gilt immer auch für konkrete Veränderungsvorhaben.

Erlebte Freude am Mitgestalten bedeutet tägliche Motivation durch das eigene Handeln, ohne größeren Kraftakt der Führungskraft. Hinzu kommt das "Wir-Gefühl" eines Teams, das an einem Strang zieht und einen eigenständigen Beitrag zum gemeinsamen Ziel leistet. Der Führungsexperte Reinhard Sprenger bringt den wesentlichen Aspekt auf den Punkt: "Motivation ist eher Konsequenz von Erfolg, nicht Voraussetzung."2

Was ist in der praktischen Umsetzung von Veränderungsvorhaben zu beachten? Zunächst, dass die Erwartungshaltung, Mitarbeitende würden bei anstehenden Veränderungen in Jubel ausbrechen, äußerst unrealistisch ist. Aber auch, dass sich Motivation und Begeisterung wecken lassen – wenn Menschen mitgenommen, ernstgenommen und ermächtigt werden, eigenständige Schritte im Sinne der angestrebten Veränderungen zu verantworten.

Auf dem Weg zum großen Hauptziel sollten überschaubare Etappenziele definiert werden, denn dies sorgt für wiederkehrende Erfolgserlebnisse. Zu den wichtigen Etappenzielen zählen auch Weiterqualifizierungsangebote für Mitarbeitende, damit sie sich für die anstehenden Veränderungen fit fühlen. Nicht oft genug kann darauf hingewiesen werden: die erreichten Etappenziele müssen gemeinsam gefeiert werden!

Zusammengefasst kommt es bei einem Veränderungsvorhaben darauf an, dass Mitarbeitende

  • Sinn und Zweck der Initiative verstehen

  • sich menschlich und fachlich mitgenommen fühlen

  • die Freude am Mitgestalten erleben

  • an einem Strang ziehen und einen eigenständigen Beitrag leisten dürfen

  • Etappenziele erreichen und Erfolge gemeinsam feiern können.

Was bedeutet "Change Management" nun eigentlich und welche Missverständnisse müssen ausgeräumt werden? Zurück zur einleitenden Frage nach einer Person, die bei den Mitarbeitenden Taschentücher zum Tränen trocknen verteilt. Die Antwort darauf ist eine grundlegende Maxime beim Umgang mit Veränderungen: Change Management ist eine originäre Führungsaufgabe und nicht delegierbar!

Es ist durchaus geboten und sehr empfehlenswert, dass Führungskräfte interne oder externe fachkundige Unterstützung bei der Vorbereitung, Planung und Umsetzung von Veränderungsvorhaben in Anspruch nehmen. Das entlässt sie aber keineswegs aus der persönlichen Verantwortung für die allumfängliche Kommunikation und die Implementierung. Der Change Manager agiert als Lotse, der die Organisation bei der Veränderungsreise methodisch begleitet und als Sparringspartner zur Seite steht.

Ein weiteres Missverständnis ist die Vorstellung, dass Change Management – losgelöst von der Organisation und den beteiligten Akteuren und Anspruchsgruppen – nach einem vordefinierten Schema ablaufen könnte. Das Gegenteil ist der Fall! Ohne eingehende, individuelle Situations- und Stakeholder-Analyse wäre jedes Kommunikations- und Veränderungskonzept reine Makulatur. Die beste Lösung bei Veränderungsvorhaben ist eine situative, auf die Organisation zugeschnittene Lösung.

Mitunter steht die Erwartung im Raum, dass ein Change-Projekt "wunderbarerweise" jahrelang aufgestaute Konflikte zwischen Mitarbeitenden, Abteilungen, Hierarchieebenen oder Geschäftspartnern in Luft auflöst. Diesen Anspruch vermag ein einzelnes, zeitlich begrenztes Projekt nicht zu erfüllen. Durchaus realistisch ist hingegen, dass ein Change-Projekt weiterführende, eigenständige Maßnahmen und Prozesse (z. B. Mediationsgespräche) anstößt, in denen kritische Themen behandelt und zu Lösungen geführt werden. Voraussetzung dafür sind die Bereitschaft und der Wille aller Beteiligten im Sinne des "Judo-Prinzips".

Eine Transformation ist erst dann gelungen, wenn sie von den adressierten Menschen gelebt wird. Dazu müssen sie die Gelegenheit bekommen, sich emotional und fachlich mit Konzept und Ziel auseinander zu setzen. Das bedeutet, dass

  • in der Organisation früh über die Transformation gesprochen wird

  • die Mitarbeitenden einen Teil ihrer Arbeitszeit darauf verwenden dürfen, sich mit den Neuerungen zu befassen und sich auf sie vorzubereiten – obwohl das Tagesgeschäft natürlich weiterläuft.

Dieser Balanceakt – auch als "beidhändiges Führen" bezeichnet – gelingt nicht intuitiv aus dem Stand heraus, sondern nur mit einem gut durchdachten Plan. Seine Elemente sind Kommunikation, schrittweise Umsetzung mit Etappenzielen sowie Risikomanagement.

Change Management ist somit kein Mythos, sondern ein Sinnbild für unternehmerisches Denken und Handeln.

* vormals Consulab®

Disclaimer: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in den Texten nur das generische Maskulinum verwendet. Es sind damit alle Personen unabhängig von ihrem Geschlecht gemeint.

Quellen

1 www.wikipedia.org/wiki/ Ver%C3%A4nderungsmanagement

2 changement!, Ausgabe: 09.2019, S:4

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