Reelle Chancen für Patienten real machen: Das ICON-Projekt

In der Onkologie gab es in den letzten Jahren entscheidende Fortschritte. Krebserkrankungen, die früher innerhalb weniger Monate zum Tod geführt haben, sind heute teils über Jahre hinweg gut in Schach zu halten. Leider ist der Zugang zu modernen Therapielösungen nicht immer schnell und einfach. Das Projekt ICON hat sich diesem Thema angenommen. Im Interview mit Katja Janssen, PHC Implementation Lead bei der Roche Pharma AG, erfahren wir mehr über reale und vertane Chancen für Patienten und Wege, das Gesundheitssystem noch effektiver zu gestalten.

ICON - das klingt wie eine vielseitige Gallionsfigur aus einem Science Fiction Film. Wofür steht die Abkürzung denn und seit wann gibt es das Projekt?

Das Projekt in seiner jetzigen Form gibt es seit Anfang 2019. Der Namen soll verdeutlichen, was das Ziel des Projekts ist: Wir möchten Innovation in Co-Creationen mit Partnern im System zunächst mit Fokus auf die Onkologie in einem Netzwerk in unserem Gesundheitssystem voranbringen und damit den Weg für eine einheitliche und verbesserte Versorgung von Krebspatient:innen ebenen.

Welches Ziel verfolgt ihr? Wie viel davon ist denn “Fiction” und wie viel wird schon heute in der Realität umgesetzt?

Personalisierte Gesundheitsversorgung bietet Patienten:innen heute schon die Chance individueller behandelt zu werden. Die Therapie orientiert sich also nicht mehr nur am erkrankten Organ wie zum Beispiel bei Lungenkrebs, sondern vielmehr am eigentlichen Entstehungsort des Krebses, der durch Veränderungen in den Genen eines Tumors zu finden ist. Der Nachweis solcher Veränderungen ist heute schon möglich, wird jedoch nicht routinemäßig bei allen Patienten:innen eingesetzt. Hinzu kommt, dass Erkenntnisse aus der Behandlung von Patienten:innen heute zwar teilweise schon erhoben werden, aber nur selten oder gar nicht in die Behandlung anderer Patienten eingebracht werden. Vieles hängt von der Erfahrung des behandelnden Arztes ab, wobei es ja eigentlich wünschenswert wäre, auf die Erfahrungen aller Ärzte gleichzeitig zurück zu greifen. Vergleichbar ist das mit Empfehlungen, die wir im Internet auf Basis unseres Kaufverhaltens bekommen. Solche Empfehlungen sind auch bei Krebs denkbar. Dafür müssen Daten strukturiert gesammelt und verfügbar gemacht werden. Für alle diese wichtigen Elemente der personalisierten Gesundheitsversorgung steht das ICON-Projekt. Wir möchten aufzeigen welchen Wert eine datengestützte personalisierte Gesundheitsversorgung für Patienten:innen, aber auch unser komplettes Gesundheitssystem hat und damit einen Beitrag leisten, dass auch jeder Zugang dazu bekommt.

Personalisierte Medizin ist also zwar in aller Munde, doch nicht alle Patient:innen können davon profitieren. Was sind die größten Hürden, die uns von diesem Ziel abhalten?

Die wohl größte Hürde ist, dass heute bei einigen Krebserkrankungen noch der Zufall entscheidet, wie ein:e Patient:in behandelt wird. Die Entwicklungen im Feld der Onkologie sind rasant. Da ist es nicht leicht den Überblick zu behalten. Die Nutzung von Entscheidungshilfen und künstlicher Intelligenz können zukünftig einen Beitrag leisten, dass Ärzt:innen quasi automatisch auf dem neuesten Stand sind und nicht nur auf Ihre eigenen Erfahrungen, sondern auf die Erfahrungen hunderter Kolleg:innen zurückgreifen können. Sie können sich so voll und ganz auf den Mensch, der vor Ihnen sitzt und dessen individuelle Bedürfnisse konzentrieren.

Wo setzt hier mit ICON an, um die Ist-Situation langfristig zu verbessern?

In unterschiedlichen Teilprojekten beschäftigen wir uns mit sämtlichen Hürden, die einer immer personalisierteren Gesundheitsversorgung heute noch im Weg stehen. Grundlage ist, den faktischen Beweis zu liefern, dass solche personalisierten Ansätze wirklich einen Vorteil für Patienten:innen liefern. In der Theorie klingt das logisch - in der Praxis sieht man viele Einzelbeispiele, die den Wert verdeutlichen, während der reale Beweis noch aussteht. Diesen zu erbringen ist auch gar nicht so leicht, da die Daten die dazu benötigt werden sehr verstreut und zum Teil unvollständig vorliegen. Zudem muss man den Mehrwert von etwas zeigen, dass noch gar nicht allen Patient:innen zu Gute kommt. Dieses Daten-Puzzle versuchen wir mit Partnern zusammenzusetzen. Gleichzeitig wollen wir zeigen, welchen Wert Daten für eine personalisierte Patientenversorgung haben. Hier möchten wir gerne Datenbankstrukturen aufbauen, die für uns und für andere Partner im Gesundheitssystem zugänglich sind. Mit Hilfe konkreter Projekte, die wir auf Basis dieser Daten durchführen, soll verdeutlicht werden, was durch die Nutzung von Daten wirklich möglich wird und wie diese Ergebnisse sowohl den Patient:innen, als auch dem Gesundheitssystem nutzen.

Wie sieht das in der Praxis aus? Gibt es Kooperationen und gemeinsame Projekte, vielleicht mit Wissenschaftsinstituten oder anderen Pharmaunternehmen?

Ganz genau. Wir arbeiten mit unserem klinischen Partner an solchen Projekten und würde uns sehr freuen, wenn wir weitere Partner aus dem Gesundheitswesen und andere Pharmafirmen für diese Projekte gewinnen könnten.

Du hast eben den Aufbau einer gemeinsamen Datenbank als Beispiel eurer Arbeit genannt. Warum ist der Zugang zur molekulargenetischen Testung für Krebspatienten so wichtig und welche Rolle spielen Datenbanken in diesem Zusammenhang?

Eine molekulargenetische Testung ist ein wichtiges Werkzeug um zu verstehen, warum ein Tumor überhaupt entstanden ist. Wenn man weiß wie ein Tumor entstanden ist, dann kann man diesen auch effektiv bekämpfen. Werden die Daten zur Testung und dem tatsächlichen Behandlungsergebnis in Datenbanken gesammelt, dann versteht man die Zusammenhänge immer besser, kann perspektivisch auch herausfinden, warum manche Patient:innen doch nicht so gut auf eine Therapie ansprechen und kommt einer optimalen Behandlung für jeden einzelnen Patient:innen immer näher. Deshalb ist es enorm wichtig diese Daten zu sammeln und für Forschung und Entwicklung zugänglich zu machen.

Das klingt insgesamt nach einem zukunftsweisenden Vorhaben, das ihr mit ICON angeht. Wenn du in eine Glaskugel schauen könntest: Wie sieht die Versorgung von Krebspatienten im Jahr 2030 aus?

Ich hoffe, dass wir durch neue Erkenntnisse in 2030 schon viele Krebsarten durch eine gute Prävention vermeiden können. Bestes Beispiel ist eine schon heute verfügbare Impfung gegen eine durch Viren-ausgelöste Form des Gebärmutterhalskrebs. Solche oder ähnliche Ansätze werden einen Beitrag leisten, dass Krebs zukünftig entweder gar nicht entsteht oder so früh erkannt wird, dass er gut behandelt ist. Die Behandlung wird in 2030 vermutlich noch personalisierter ausfallen und neben einer medikamentösen Therapie auch ein engmaschiges Therapie-Monitoring durch regelmäßige Testung oder digitale Lösungen enthalten. Ein individuell abgestimmtes Ernährungs-/Sportprogramm könnte zukünftige Behandlungen weiter abrunden.

Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg!

Beitrag vom 29. Oktober 2020

Über Katja Janssen

Das Thema Krebs beschäftigt mich bereits seit 20 Jahren. Ich hatte einige Krebserkrankungen im Familien und Bekanntenkreis und während meinem Biologie-Studiums hatte ich deshalb die Ambition aus Forschungssicht einen Beitrag zu einer besseren Versorgung von Krebspatienten:innen zu leisten. Nach meiner Promotion bin ich in die Industrie gewechselt, um einen unmittelbaren Einfluss auf den Zugang von Krebspatient:innen zur hochwertiger Diagnostik zu haben. Erst im Außendienst im Bereich Gewebediagnostik bei Roche Diagnostics, später im Marketing. Nach einem kurzen Abstecher als Regionale Vertriebsleiterin in die Labordiagnostik, darf ich seit 2019 das ICON- Projekt zur vollständigen Implementierung datengestützter personalisierter Gesundheitsversorgung leiten.

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