Beitrag vom 14. September 2020
Knusper, knusper, CRISPR. Was klingt wie ein falsch zitierter Satz aus dem Grimm-Märchen „Hänsel und Gretel“, ist für viele Gentechniker ein wahrgewordener Traum. CRISPR, gesprochen crisper, ist eine neue Technologie, die es unter anderem ermöglichen soll, durch Genbearbeitung Krankheiten zu heilen oder deren Ausbruch frühzeitig zu verhindern. Kein Wunder also, dass Forscher leuchtende Augen bekommen, sobald CRISPR zur Sprache kommt. Und: Das Potenzial der sogenannten Genschere ist noch lange nicht ausgeschöpft. Es könnte die Zukunft der menschlichen Existenz nachhaltig verändern. Das gefällt nicht jedem - und führt unter Ethikern schon jetzt zu Sorge und Diskussion.
Die Revolution: Innovativ, einfach und billig
Man nehme eine Schere, schneide etwas ab, verändere das Bestehende oder klebe etwas Neues an. Daran ist zunächst wenig revolutionär. Zumindest bis man sich vorstellt, dass dies an den eigenen Genen, also den Trägern unseres Erbguts, geschieht. Durch pfiffige Technologien ermöglicht Genom-Editing genau dies und ist damit der nächste große Wurf nach der vollständigen Entschlüsselung des menschlichen Genoms durch das Human Genome Project im Jahr 2003. Doch innovative Technologien sind oft kompliziert anzuwenden und teuer. Nicht so bei CRISPR. Während es vor einigen Jahren noch mehrere Wochen oder Monate dauerte, ein Gen zu verändern, dauert dies heute nur noch einige Stunden. Während hierfür damals tief in die Tasche gegriffen werden musste, sind die Kosten heute im Vergleich weitaus erschwinglicher.
Körpereigene Abwehr als Genschere
Heute als Technologie bezeichnet, sind CRISPR zunächst nur spezialisierte DNA-Abschnitte, die in zahlreichen Abwehrmechanismen von Bakterien und anderen Mikroorganismen eine wichtige Rolle spielen. Dort werden CRISPR-assoziierte Cas-Proteine darauf trainiert, Angriffe von Viren und anderen Fremdkörpern erfolgreich abzuwehren. Diese Task-Force an Organismen macht es sich zur Aufgabe, fremde Eindringlinge zu zerkleinern und zerstören. Die Intelligenz der körpereigenen Abwehr haben sich Wissenschaftler nun zu eigen gemacht. Denn die Cas-Proteine können, wenn sie richtig programmiert werden, jede beliebige doppelsträngige DNA zerschneiden. Dafür benötigen sie lediglich die passende RNA, die sie wie ein Touristenführer zielsicher an die richtige Stelle führt. Da RNA heute mit jeder beliebigen Sequenz künstlich hergestellt werden kann, sind die Möglichkeiten theoretisch schier unendlich. Die Reparaturarbeiten nach der Mini-Operation durch die Genschere übernimmt dann ganz automatisch der eigens dafür vorhandene Zellmechanismus.
Forschung läuft auf Hochtouren
Das klingt nun alles zu gut, um wahr zu sein. Ist es auch. Denn Gentechniker sind sich bis heute nicht einig darüber, welcher Ansatz für die Anwendung bei Menschen wirksam und sicher ist. Um Licht ins Dunkle zu bringen, läuft die Forschung daher auf Hochtouren: Fibrose und Hämophilie – selbst von der Heilung von Krebs oder HIV ist die Rede. Nun auch kürzlich die erste Erfolgsmeldung aus einer amerikanischen Studie mit einer Patientin, die mit Sichelzellanämie geboren wurden. Dabei handelt es sich um eine Erbkrankheit, die zur Bildung von „unechtem“ Hämoglobin, dem so genannten Sichelzellhämoglobin führt. Der Patientin wurden die genveränderten Zellen über einen Venenzugang gespritzt, die im Körper die Herstellung des richtigen Blutfarbstoffs Hämoglobin aktivieren. Die Studienteilnehmer werden nun aber 15 Jahre beobachtet, um Nebenwirkungen frühzeitig festzustellen.
Eingriff in die Natur nicht ohne Konsequenzen
Doch damit nicht genug: Immer wieder steht CRISP auch in Zusammenhang mit der Schaffung von Designer Babies, also Kindern, deren genetische Ausstattung ausgewählt oder verändert wurde, oft um ein bestimmtes Gen einzubauen oder Gene zu entfernen, die mit einer Krankheit in Verbindung stehen. Im März 2015 unternahmen chinesische Wissenschaftler das erste Gen-Editing bei zwei Zwillingsembryonen. In der internationalen Forschercommunity löste dies eine Welle der Empörung aus – zeigt aber auch, wie real diese Möglichkeit heute schon ist. Dabei schwebt eine Frage wie ein Damoklesschwert über uns: Wie weit möchten wir in die Evolution und die Zukunft unseres Daseins einzugreifen? Ist der erste Schritt getan, folgen weitere? Werden bald auch Augen- und Haarfarbe vorab bestimmbar sein?
Ethische Grenzen müssen gesetzt werden
In Deutschland verhindert das Embroynenschutzgesetz Veränderungen an den Keimbahnen. Darüber hinaus fordert der Ethikrat schon jetzt eine umfassende gesellschaftliche Diskussion und eine über nationale Grenzen reichende Regulierung. Die aktuelle Guidance ist klar: Gen-Editing solle nur in Fällen möglich sein, in denen schwere Krankheiten auftreten würden oder es keine andere Behandlungsmöglichkeit gibt. Zudem müssen gesundheitliche Risiken und Vorteile kontinuierlich erfasst werden, um langfristige Konsequenzen absehen zu können.
Euphorie und Skepsis liegen eng beieinander
Während der Einsatz beim Menschen noch stark debattiert wird, gehört die CRISPR-Technologie in der Lebensmittel- und Agrarindustrie schon fest zum Repertoire. So ist der Jogurt aus dem Supermarkt von nebenan ein Resultat erfolgreicher Genbearbeitung. Denn CRISRP kann Industriekulturen gegen Viren schützen und Lebensmittel so sicherer machen. Anwendung findet sie auch bei Nutzpflanzen, um den Ertrag zu steigern indem Dürretoleranz und Ernährungseigenschaften verbessert werden. Übertragbar auf die Anwendung auf den Menschen sind all diese positiven Aspekte aber nicht. Was bleibt sind daher Euphorie und Skepsis: Der Durchbruch für die Therapie einer Vielzahl von Krankheiten steht bevor, die Möglichkeiten die dies eröffnet, müssen aber langfristig abgewogen werden.
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