„Da ist ein Schatten auf der Lunge“ ist der Satz, den so gut wie alle Lungenkrebspatientinnen und -patienten einmal gehört haben. Sobald der Verdacht auf Lungenkrebs oder eine andere Lungenerkrankung im Raum steht, wird normalerweise bei jeder Patientin bzw. jedem Patienten der Raucherstatus abgefragt. Denn obwohl die Zahl der aktiven Raucherinnen und Raucher in Deutschland seit Jahren zurückgeht (1), ist Rauchen nach wie vor der Hauptrisikofaktor für die Erkrankung: 85 Prozent aller Lungenkrebspatienten waren oder sind aktive Raucher. (2) Darüber hinaus gelten aber auch Passivrauchen und krebserregende Stoffe, wie sie u. a. im Feinstaub zu finden sind, als Risikofaktoren. Die Folge: In Deutschland erkranken jährlich ca. 53.000 Menschen an Lungenkrebs. (3) Damit ist
Krebserregende Stoffe können unser Erbgut beschädigen und zu genetischen Veränderungen (Mutationen) führen.
Wie bei vielen anderen Krebsarten dachte man lange Zeit, dass jeder Tumor in der Lunge „der Lungenkrebs“ ist. Doch mit Einführung histologischer Untersuchungen (Mikroskopische Gewebeanalyse) zeigte sich, dass Lungentumoren grundlegend in zwei Formen unterteilt werden können: Vom sogenannten kleinzelligen Lungenkarzinom (engl. Abkürzung SCLC für small cell lung cancer) sind etwa 15 Prozent der Lungenkrebspatienten betroffen und vom nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (engl. Abkürzung NSCLC für non small cell lung cancer) etwa 85 Prozent. (6)
Heute ist die Forschung noch weiter: Man weiß, dass Lungenkrebs durch eine Vielzahl
Das Prinzip, wie Krebs entsteht, ist bei allen Mutationen ähnlich: Ein Gen ist der Bauplan für einen bestimmten Zellbestandteil (Protein). Ist das Gen mutiert, wird auch das Protein verändert und funktioniert in vielen Fällen nicht mehr so, wie es soll. Im Falle einer Krebserkrankung sind diese Proteine in der Regel dauerhaft aktiv, was dazu führt, dass sich die Zelle unkontrolliert teilt und wächst, wodurch sich ein Tumor bildet.
Meist können die Reparaturmechanismen des Körpers die Mutationen ausmerzen, sodass kein Krebs entsteht.
In einer Zelle sind allerdings viele verschiedene Proteine an unterschiedlichen Prozessen beteiligt: Sie können das Zellwachstum, die Zellteilung oder das Überleben einer Zelle regulieren.
Diese Mutationen oder auch die entsprechenden fehlerhaften Proteine können nachgewiesen werden. Dann spricht man von sogenannten
Molekulargenetische Marker beschreiben eine Krebsart noch genauer – so wie ein Mensch besser beschrieben wird, wenn seine Augen- oder Haarfarbe angegeben wird. Dies ist besonders wichtig, wenn sich der Lungenkrebs im fortgeschrittenen Stadium befindet.
Molekulargenetische Marker sind die Basis, um zielgerichtete Wirkstoffe entwickeln zu können. Diese ermöglichen es, Krebspatientinnen und -patienten individuell im Sinne einer
Für den nicht-kleinzelligen Lungenkrebs sind verschiedene molekulargenetische Marker bekannt, die unterschiedlich oft vorkommen. Die Bezeichnung stammt vom jeweils betroffenen Gen. (7)
Zwei molekulargenetische Marker, die Gemeinsamkeiten haben, sind ALK (Anaplastische Lymphomkinase) und ROS1. Beide kommen
onkogene (potentiell krebsauslösend) Veränderung bei beiden eine sogenannte Genfusion, weswegen von ALK- bzw. ROS1-Fusions-positivem NSCLC gesprochen wird. Genfusionen gelten als starke onkogene Treiber. (12)
Bei einer Genfusion verschmilzt ein Teil des eigentlichen Gens (ALK oder ROS1) mit einem anderen Gen. Dieses kombinierte Gen kann dazu führen, dass ein neues Protein, ein sogenanntes Fusionsprotein gebildet wird (13), das ständig aktiv ist. Dadurch entsteht letztlich ein Tumor. (13,14)
Doch auch wenn sich molekulargenetische Marker ähneln, ist zur Behandlung des Krebses in der Regel ein jeweils individueller, zielgerichteter Wirkstoff erforderlich.
Die zielgerichteten Wirkstoffe der Personalisierten Medizin wirken im Allgemeinen spezifisch gegen einzelne Proteine, die auf einer bestimmten Mutation beruhen.
Molekulargenetische Marker sind jedoch nicht nur wichtig, um sich für die richtige Therapie zu entscheiden, sondern sind auch für die Prognose relevant. Daher sollte bei Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC stets eine umfassende Testung auf die verschiedenen bekannten molekulargenetischen Marker erfolgen. Das empfehlen auch die aktuellen Leitlinien. (15)
Krebsarten, die durch starke onkogene Treiber ausgelöst werden, neigen dazu, nicht nur schnell zu wachsen, sondern auch Metastasen (Tochtergeschwülste) an anderen Stellen im Körper zu bilden. Besonders gefürchtet ist, dass der Krebs ins Gehirn streut. Denn Hirnmetastasen können mit Wahrnehmungseinschränkungen, Konzentrationsstörungen, Problemen bei der Bewegung und auch Persönlichkeitsveränderungen einhergehen.
Hirnmetastasen treten besonders häufig bei Patienten auf, die an Lungenkrebs erkrankt sind. Warum das so ist, ist jedoch noch nicht genau bekannt.
Je nach Krankheitsstadium haben 31 – 71 Prozent der Patienten mit ALK-Fusions-positivem NSCLC Metastasen im Gehirn. (16,17) Auch Patienten mit ROS1-Fusions-positivem Lungenkrebs sind oft von Hirnmetastasen betroffen: Bis zu 40 Prozent dieser Patienten haben bereits bei der Diagnose der Lungenkrebserkrankung auch Hirnmetastasen. (18-22) Und wenn der Krebs fortschreitet und weiterwächst, ist das Gehirn bei 47 Prozent der ROS1-positiven Patienten die erste und einzige Stelle im Körper, an der man Metastasen findet. (23,24)
ZNS-Metastasierung bei ROS1-Fusions-positivem NSCLC (modifiziert nach 23,24)
Die Blut-Hirn-Schranke kontrolliert den Stoffaustausch zwischen dem Gehirn und dem Blut. So wird das Gehirn vor schädlichen Substanzen geschützt.
Daher ist es wichtig, dass ein zielgerichteter Wirkstoff auch im Gehirn wirken kann. So können nicht nur bereits entstandene Metastasen behandelt werden, sondern es bietet auch die Chance, die Entstehung von Hirnmetastasen zu verhindern. Das ist allerdings nicht einfach, denn dazu muss der Wirkstoff die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Und nicht nur das: Die Wirkstoffe müssen auch im Gehirn bleiben. Das können nicht alle. Viele werden über spezielle aktive Transportmechanismen schnell wieder aus dem Gehirn hinausgeschleust. (25)
Allerdings stehen bereits Therapieoptionen zur Verfügung, die gleichermaßen in der Lunge und im Gehirn wirken. (26,27)
Das Prinzip der Blut-Hirn-Schranke wird im folgenden Video anschaulich erklärt:
Entscheidend für eine erfolgreiche Behandlung von ALK- und ROS1-Fusions-positivem Lungenkrebs ist die Testung auf diese Genfusionen. Dafür sprechen sich auch die wichtigsten deutschen Leitlinien zur Behandlung von Lungenkrebs aus. (15,28) Die molekulargenetischen Marker können mit verschiedenen Analysemethoden nachgewiesen werden. So kann die individuelle Ursache für den Lungenkrebs bestimmt werden. Eine der sensitivsten Methoden zum Nachweis vieler molekulargenetischer Marker ist das NGS (Next Generation Sequencing: Bestimmung des genetischen Codes von mehreren Genen gleichzeitig) das die Erstellung von sogenannten „Tumorprofilen“ ermöglicht. Auch herkömmliche Methoden, wie FISH (Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung: Fluoreszierende Marker werden an bestimmte Stellen eines Gens gebunden) oder IHC (Immunhistochemie: Sichtbarmachen von Proteinen durch spezifische Marker) können – in Abhängigkeit vom jeweiligen Marker und der Fragestellung – für die Diagnostik eingesetzt werden.
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