Dr. Klaus Edel, Chefarzt Kardiologische Rehabilitation im Herz-Kreislauf-Zentrum Rotenburg an der Fulda, und Winfried Klausnitzer, selbst langjähriger Patient und im Vorstand des Dachvereins Herzschwäche Deutschland, zur Bedeutung der Früherkennung bei Herzinsuffizienz, auf welche Symptome man achten sollte und was sich in Deutschland ändern muss.

Dr. Edel, was genau ist eine Herzinsuffizienz?

Dr. Edel: Herzinsuffizienz ist ein Syndrom, bei der das Herz nicht mehr in der Lage ist, unseren Körper und damit unsere Organsysteme, wie beispielsweise das Gehirn, Muskeln und die Nieren, mit Blut, Nährstoffen, aber auch ausreichend mit Sauerstoff zu versorgen.

Herr Klausnitzer, Sie leben bereits seit einigen Jahren mit der Diagnose Herzinsuffizienz. Wann und wie wurde diese bei Ihnen festgestellt?

Herr Klausnitzer: Mit etwa 40 Jahren hatte ich einen stillen Herzinfarkt, der nicht diagnostiziert wurde. Dabei ist die komplette Herzrückwand beschädigt worden. Fast zehn Jahre später gingen dann die ersten Probleme mit Luftnot und einer spürbar geringeren Leistungsfähigkeit los. Aufgrund der Luftnot wurde bei mir COPD diagnostiziert, wogegen ich dann 12 Jahre lang behandelt wurde. Über die Zeit wurden alle möglichen Diagnosen gestellt – bis hin zu der Vermutung, dass ich eigentlich Panikanfälle hätte. 2014 erhielt ich schließlich die Diagnose Herzinsuffizienz – ein Krankheitsbild, von dem ich noch nie zuvor gehört hatte.

Dr. Edel, was sind denn die typischen Symptome einer Herzinsuffizienz?

Dr. Edel: Praktisch alle Patient:innen sind zwar von einer sinkenden Leistungsfähigkeit betroffen, das passt aber auch zu anderen Krankheitsbildern. Die Betroffenen sind bei kleinsten Anstrengungen erschöpft, spüren Atemnot und müssen bei fast jeder alltäglichen Aufgabe öfter eine Pause machen. Manche leiden auch unter Herzjagen, nächtlichem Wasserlassen, rascher Kurzatmigkeit, Husten mit schaumigem Schleim oder auch Schwellungen der Füße, der Beine sowie des Bauchs.

Herr Klausnitzer, hatten Sie vorab Symptome oder gab es Warnhinweise?

Herr Klausnitzer: Bei mir war es genauso unspezifisch, wie Dr. Edel sagt. Es gab viele unterschiedliche Beschwerden, die mich in einem normalen Tagesablauf behindert haben. Das Schwerwiegendste war dabei das Gefühl, keine Luft zu bekommen.

Dr. Edel, gibt es besondere Risikogruppen bzw. Vorerkrankungen für Herzinsuffizienz?

Dr. Edel: Die Hauptursachen sind die großen Volkskrankheiten in Deutschland. Führend ist hier die koronare Herzkrankheit, bei der die Herzkranzgefäße verkalken und so den Herzmuskel nicht mehr ausreichend mit sauerstoffreichem Blut versorgen können. Auf Platz zwei und drei folgen zu hoher Blutdruck und Typ-2-Diabetes. Dazu kommen Risikofaktoren wie Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum, erhöhte Cholesterinwerte sowie Übergewicht. 

Warum sind Menschen mit Typ-2-Diabetes besonders häufig betroffen?

Dr. Edel: Bei Typ-2-Diabetes und Herzinsuffizienz ist nicht geklärt, welche Krankheit die andere verursacht. Insgesamt spielt die Schnittmenge eine Rolle und nicht so sehr, dass sich aus dem Typ-2-Diabetes eine Herzinsuffizienz entwickelt oder umgekehrt. Was man generell sagen kann: Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für beide Erkrankungen. Dazu kommen familiäre Vorbelastungen, die man sich als Arzt im Rahmen einer Familienanamnese genauer ansehen sollte. Darüber hinaus spielen das Körpergewicht und die Fettverteilung bei beiden Gruppen eine Rolle.

Winfried Klausnitzer, langjähriger Patient und im Vorstand des Dachvereins Herzschwäche Deutschland

Warum ist Früherkennung bei Herzinsuffizienz so wichtig?

Dr. Edel: Eine Herzschwäche wird in den meisten Fällen viel zu spät festgestellt. Ich schätze, dass 90 bis 95 Prozent der Patient:innen die Diagnose erst bei ihrem ersten Krankenhausaufenthalt wegen Herzschwäche erhalten. Bei einer Herzinsuffizienz ist der Faktor Zeit entscheidend: Je früher man die Diagnose erhält und eine Therapie beginnt, desto mehr kann man erreichen. Würden wir die Chancen der Früherkennung besser nutzen, könnten wir vielen Betroffenen deutlich mehr Lebensqualität und Lebenszeit schenken. Deshalb empfehle ich immer, frühzeitig und beim geringsten Verdacht die Biomarker NT-proBNP bzw. BNP zu bestimmen und den von mir entwickelten zu machen.

Herr Klausnitzer: Aus meiner Sicht sollten die beiden Biomarker flächendeckend in Gesundheits-Checks aufgenommen werden – insbesondere bei Menschen mit erhöhtem Risiko und bei älteren Menschen. In Kombination mit dem Selbsttest könnte man die Früherkennung so signifikant verbessern.

Wie können wir im Bereich der Früherkennung besser werden?

Dr. Edel: Bei uns in Deutschland wird das Thema Herzschwäche nicht wirklich wahr- bzw. ernst genommen. Bei uns kennen viele Menschen die Erkrankung gar nicht oder sie wird immer noch älteren Menschen zugeordnet. Dabei treten bei Menschen mit Typ-2-Diabetes die ersten Fälle von Herzinsuffizienz schon im Alter von 40 Jahren auf. Aus meiner Sicht ist es entscheidend, dass wir Herzinsuffizienz zu einem Gesprächsthema in der breiten Öffentlichkeit machen – mit Aufklärung und prominenten Persönlichkeiten, die für Aufmerksamkeit sorgen. Dazu kommt, dass es aufgrund des Fachärztemangels bei einem Verdacht auf Herzinsuffizienz sechs bis neun Monate dauern kann, bis Betroffene einen ambulanten Termin bei einem Kardiologen für eine Echokardiografie bekommen. Wertvolle Zeit, die verloren geht. Hier ist auch die Politik gefordert, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen.  

Herr Klausnitzer: Was mir noch wichtig ist: Es sind viele Menschen von einer Herzinsuffizienz betroffen, obwohl sie es gar nicht wissen. Aktuell gibt es ca. 4,2 Millionen Menschen mit einer diagnostizierten Herzinsuffizienz in Deutschland – die Dunkelziffer ist allerdings vier bis fünf Mal so hoch. Das sind alarmierende Zahlen, besonders wenn man sich klar macht, dass Herzinsuffizienz tödlich ist. Rund 50 Prozent der Patienten sterben in den ersten vier Jahren nach der Diagnose. Eine frühe Diagnose und Therapie kann die Lebenserwartung aber deutlich verlängern.

Herr Klausnitzer, wie hat sich Ihr Leben nach der Diagnose verändert?

Herr Klausnitzer: Die Therapie, die nach der Diagnose kam, hat bei mir ziemlich schnell angeschlagen. Wenn man plötzlich wieder in den zweiten Stock hochkommt, ohne dass man drei Pausen machen muss, ist die ganze Situation wieder deutlich positiver. Ich musste mich mit 63 Jahren erst einmal daran gewöhnen, dass ich mich jetzt an Regeln halten soll. Insbesondere bei einer medikamentösen Therapie ist die Therapietreue enorm wichtig. Dazu musste ich plötzlich auf bestimmte Werte wie Gewicht und Blutdruck achten, was ich vorher auch nie getan hatte.

Was sind Ihre Tipps für ein gutes Leben mit Herzinsuffizienz?

Herr Klausnitzer: Lebt und schaut nicht auf das, was man nicht mehr kann, sondern auf das, was man kann. Und nehmt euch alle Zeit der Welt, um es euch selbst gut gehen zu lassen. Natürlich nicht ganz, ohne auf sich und einen gesunden Lebensstil zu achten – die Mischung zwischen Genießen und auf seine Gesundheit achten macht es für mich aus.

Dr. Edel, was kann man im Bereich Prävention machen, damit es erst gar nicht zu einer
Herzinsuffizienz kommt?

Dr. Edel: Eine herzgesunde Ernährung mit viel frischem Gemüse, die dazu beiträgt, das Gewicht zu regulieren und sich wohlzufühlen, spielt hier eine zentrale Rolle. Dazu kommt der Faktor Bewegung. Die Deutsche Herzstiftung empfiehlt, täglich eine halbe Stunde spazieren zu gehen, davon fünf Minuten etwas schneller, so dass man leicht ins Schwitzen kommt. Für Menschen mit Typ-2-Diabetes oder einer koronaren Herzerkrankung ist das meistens etwas zu kurz gegriffen, da hier oftmals Übergewicht im Spiel ist. In diesen Fällen werden 45 oder 60 Minuten pro Tag empfohlen. Generell kann man sagen: Bewegt sich der Mensch freut sich das Herz. Leidet man unter Begleiterkrankungen wie hohem Blutdruck und Typ-2-Diabetes, ist es wichtig, frühzeitig aktiv zu werden und sich optimal einstellen zu lassen.

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