Im Jahr 1975 war ich eine junge Frau, hatte meinen Schulabschluss seit drei Jahren in der Tasche und stand am Anfang meiner beruflichen Laufbahn. Gerade als ich begann, das Leben so richtig zu genießen, passierte das Unvorhergesehene: Ich wachte morgens auf, und alles war dunkel. Ich war völlig blind.
Zunächst dachten die Ärzte und Spezialisten, dass ich einen Gehirntumor hätte, aber das konnte in mehreren Röntgenuntersuchungen ausgeschlossen werden. Die Nerven in meinen Augen schienen geschwollen zu sein, daher wurden mir Steroide verschrieben. Nach vier Monaten kam meine Sehkraft langsam zurück.
In den siebziger Jahren war das zuverlässigste Verfahren zur Diagnose einer MS, erst einmal alle anderen infrage kommenden Krankheiten auszuschließen, und dann eine Lumbalpunktion (Entnahme von Nervenwasser im Bereich der Lendenwirbelsäule) durchzuführen. Ich habe die ganzen Abläufe damals als schlimm, schmerzhaft und beschämend empfunden. Schließlich musste ich zu einer nochmaligen Lumbalpunktion in ein Spezialzentrum kommen, um dann zu erfahren, dass ich sehr wahrscheinlich an MS erkrankt war.
Während der nächsten 20 Jahre, hatte ich viele Symptome, die vor allem meine Sehfähigkeit und meine Beine betrafen. Meine Augen schmerzten unerträglich und ich wurde regelmäßig mit Steroiden behandelt. Als ich 27 war, verlor ich plötzlich die Kontrolle über meine Beine und stürtze infolge dessen schwer. Drei gerissene Bänder, machten eine Operation unumgänglich. Eine bestätigte MS-Diagnose hatte ich zum damaligen Zeitpunkt immer noch nicht. Diagnostik und Versorgung waren damals eben anders.
In den 1970er und -80er Jahren gab es keine Medikamente, mit denen ein MS-Schub (oder „Relapse“) verhindert werden konnte. Die einzige Möglichkeit bestand darin, die Schub-Symptome zu behandeln, was üblicherweise mit Steroiden erfolgte.
Für mich rätselhaft war, dass meine Symptome Anfang der 1990er Jahre langsam nachließen. Ich hatte den Eindruck, dass die Erkrankung – die ich „mein Monster“ nannte - eine Pause machte und abtauchte. Manchmal tauchte das Monster wieder auf, war aber überwiegend erträglich. Ich fing an, auf meinen Körper zu hören und wusste genau, wann ich mich ausruhen musste, und wie belastend Hitze und Luftfeuchtigkeit sein können. Auch wusste ich, dass ich mich nicht überanstrengen durfte.
2014 tauchte „mein Monster“ mit aller Macht wieder auf. Die Kraft in meinen Beinen ließ sehr stark nach, und beim Gehen zog ich meinen rechten Fuß über den Boden. Ich hatte sehr schmerzhafte Gelenkschwellungen. Die Ärzte dachten, dass ich möglicherweise eine andere Autoimmunerkrankung hätte. Zur weiteren Abklärung wurde zum ersten Mal eine Magnetresonanztomographie (MRT) durchgeführt. Danach erhielt ich dann die endgültige Diagnose MS. Vor kurzem habe ich mit einer Krankheits-modifizierenden Behandlung begonnen.
Meine Krankheitsgeschichte umfasst nunmehr 40 Jahre. Ich weiß nicht, wie sich die MS weiter auf mich auswirken wird, aber ich weiß, dass ich eine Menge durch die Erkrankung gelernt habe. Im Wesentlichen sind das drei Punkte:
Ich habe gelernt, Menschen, die mir nahe stehen, offen zu begegnen - ich sage meinem Ehemann, wann ich mich außergewöhnlich müde fühle, oder ich informiere meinen Vorgesetzten bei der Arbeit, wenn ich aufgrund der MS zu emotionalen Reaktionen neige.
Am wichtigsten für mich ist: Ich habe gelernt, Hilfe zu akzeptieren, die mir angeboten wird. Das hat die Beziehungen zu den Menschen, die mir helfen, sehr gefestigt.
Ich kann Aktivitäten des täglichen Lebens viel einfacher handhaben – dank der Unterstützung durch mein Netzwerk aus Familie, Freunden und Arbeitskollegen. Besonders stolz bin ich, für eine Firma tätig zu sein, die neue Wege zur Behandlung der MS erforscht.
Insgesamt bin ich dankbar für die medizinischen Fortschritte, die mir zur Erkenntnis verhalfen, dass ich MS habe. Ich danke all jenen, die dazu beitragen, die Geheimnisse von MS aufzudecken und Diagnose- und Behandlungsmethoden kontinuierlich zu verbessern. Ich sehe wieder Licht am Ende des Tunnels.
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