Pandemien sind Teil der Menschheitsgeschichte und sie sind unvermeidbar“, erläutert John Young. Als globaler Leiter der Abteilung Infektionskrankheiten bei Roche Pharma Forschung & Frühe Entwicklung weiß er viel über Pandemien und Viren. Eine globale Herausforderung wie COVID-19 hat es jedoch in der jüngsten Geschichte nicht gegeben. Daher ist ein moderner Ansatz erforderlich, um sie zu bewältigen.
In einer Zeit, in der wertvolle Ressourcen nicht geschont werden können, kann er den unschätzbaren Wert von Partnerschaften nicht genug betonen. Der Wettlauf hat begonnen, um weitere Schäden für Gemeinschaften auf der ganzen Welt zu verhindern. Jetzt ist nicht der Zeitpunkt, um sich auf interne Angelegenheiten zu konzentrieren. Jetzt, da so viele hervorragende Wissenschaftler darum wetteifern, eine Lösung zur Bekämpfung des neuartigen Coronavirus zu finden, ist es wichtiger denn je, sich zum Wohle der Menschheit gegen den gemeinsamen Feind zusammenzuschließen.
In einem Interview erläutert er seine Erkenntnisse über die Biologie des Virus und beantwortet, ob ein Heilmittel gefunden werden kann.
Die vollständige Genomsequenz des SARS-CoV-2-Virus wurde (mittels eines Isolats eines Patienten aus Wuhan) ermittelt und nahezu sofort nach dem ersten Ausbruch veröffentlicht. Danach wurden Genomsequenzen des Virus aus verschiedenen Teilen der Welt charakterisiert. Das Virusgenom ist dem des SARS-Virus sehr ähnlich und stimmt zu fast 79% damit überein.
Die Sequenz bildet die Grundlage für die Erforschung und Entwicklung neuer Medikamente gegen das Virus. Das Virus scheint sich nicht schnell zu verändern. Dies ist für die Impfstoffforschung ermutigend, da es vermuten lässt, dass ein einziger Impfstoff entwickelt werden kann, der Schutz gegen alle Varianten des Virus bietet.
Wie arbeiten Sie gemeinsam mit externen Partnern an COVID-19-Programmen?
Wir haben ein internes Forschungsprogramm initiiert, um Medikamente gegen SARS-CoV-2 zu entwickeln. Zudem haben wir eine externe Kooperation mit Nevan Krogan und seinem Team an der University of California San Francisco (UCSF) ins Leben gerufen. Darüber hinaus prüfen wir weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit und Partnerschaft. Wir haben ein internes Prüfteam eingerichtet, dass die Vielzahl von Anfragen zu potenziellen Kooperationen und Partnerschaften, die wir erhalten haben, rasch bewertet.
Zwei konkrete Beispiele für unser Engagement sind die Unterstützung der Anstrengungen von Nevan Krogan und der Coronavirus Research Group des Quantitative Biosciences Institute (QBI) der UCSF. Ziel des Programms ist es, die Interaktionen zwischen dem Virus und den Zellproteinen zu charakterisieren, um neue therapeutische Ansätze zu identifizieren.
Kurzfristig konnten mit diesem Ansatz Angriffspunkte für durch die FDA zugelassene und in der klinischen Entwicklung befindliche Medikamenten identifiziert werden, die bei der Behandlung der Krankheit wirksam sein könnten. Langfristig sollen diese Studien neue Angriffspunkte für Arzneimittel liefern, die dann im Zentrum von Kampagnen zur Erforschung und Entwicklung neuer Medikamente stehen könnten. Diese Zusammenarbeit baut auf der langjährigen Partnerschaft auf, die wir mit dem Labor von Krogan unterhalten, um diese Technologie zur Erforschung neuer Angriffspunkte für Medikamente einzusetzen.
Partnerschaft ACTIV
Die Abkürzung ACTIV steht für Accelerating COVID-19 Therapeutic Interventions and Vaccines, es geht um die Beschleunigung von therapeutischen Interventionen und Impfstoffen gegen COVID-19.
Hierfür haben sich mehr als ein Dutzend führender Biotech-Unternehmen und renommierte akademische Forscher mit globalen Gesundheits- und Regulierungsbehörden zusammengeschlossen. Die Zusammenarbeit wird von den National Institutes of Health (NIH) und der Foundation for the NIH geleitet und ist eine öffentlich-private Partnerschaft von pandemischem Ausmaß.
Ziel ist: Den besten Impfstoff- und Arzneimittelkandidaten Priorität einzuräumen, klinische Studien und regulatorische Verfahren geradlinig zu gestalten und Wissen und Instrumente unter allen Partnern auszutauschen, um so schnell wie möglich auf COVID-19 - und künftige Pandemien - reagieren zu können.
Welche Bedeutung könnten diese Anstrengungen für medizinisches Fachpersonal an vorderster Front haben?
Wenn sich herausstellt, dass von der FDA zugelassene Medikamente wirksam zur Behandlung des Virus eingesetzt werden können, wäre dies von unmittelbarem Nutzen, um medizinisches Fachpersonal vor COVID-19 zu schützen bzw. zu behandeln. Wir prüfen gegenwärtig, welche Medikamente wir untersuchen werden. Es ist noch zu früh, um darüber zu spekulieren, welche von der FDA zugelassenen Medikamente wirksam zur Behandlung der Krankheit eingesetzt werden können.
Was weiß man über die biologischen Grundlagen des Virus? Welche Ansätze verfolgen Medikamentenentwickler zur Bekämpfung des Virus? Denken Sie, dass diese Ansätze kurzfristig wirksame Behandlungen hervorbringen werden?
Mehrere bereits in der Entwicklung befindliche Medikamente werden derzeit in klinischen Studien auf ihre Wirksamkeit zur Behandlung von SARS-CoV-2/COVID-19 untersucht. Wenn die Wirksamkeit eines oder mehrerer dieser Medikamente nachgewiesen werden kann, wäre schnell eine Behandlung für die Krankheit verfügbar. Wenn nicht, müssen neue Medikamente entwickelt werden, was mehrere Jahre dauert.
Coronaviren haben ein RNA-Genom, das fast 30 Virusproteine kodiert. Einige davon werden zunächst als eine lange Proteinkette, vergleichbar mit einem Band, produziert. Ein Virusprotein, die sogenannte Protease, fungiert als molekulare Schere, die dieses Band in Einzelteile zerschneidet. Dadurch entstehen separate Virusproteine, die zur Unterstützung der Virusreplikation erforderlich sind. Ein weiteres Virusprotein, die sogenannte Polymerase, ist dafür verantwortlich, Kopien des Virusgenoms herzustellen. Die Polymerase- und Protease-Proteine des Virus sind die attraktivsten Angriffspunkte für Medikamente, die wir bislang kennen.
Aktuell gibt es einen Wettlauf um die Entwicklung eines Impfstoffs gegen COVID-19. Eine häufig gestellte Frage ist, warum große Pharmaunternehmen nicht ausreichend in die Entwicklung eines Impfstoffs investieren, bevor es zu spät ist.
Ein Impfstoff wäre ein sehr vielversprechender Ansatz zur Bekämpfung von COVID-19. Es wurden bereits in unglaublicher Geschwindigkeit mehrere experimentelle Impfstoffe entwickelt und es wurden rasch klinische Studien damit aufgesetzt. Die Herausforderung des Impfstoffansatzes besteht darin, dass wir noch nicht wissen, welche Teile der Immunantwort des Wirts für die Wirksamkeit des Impfstoffs am wichtigsten sind. Da dies ein neu entstandenes Virus ist, wäre es nicht möglich gewesen, vor der Pandemie einen wirksamen Impfstoff zu entwickeln.
Was haben Sie als ausgebildeter Virologe aus dieser Pandemie gelernt?
Pandemien sind Teil der Menschheitsgeschichte und sie sind unvermeidbar. In diesem Fall scheint es so gewesen zu sein, dass ein Virus, das normalerweise in Fledermäusen vorkommt, direkt oder indirekt auf den Menschen übertragen wurde und sich rasch weltweit verbreitet hat. Die Bevölkerungsdichte und die umfangreiche globale Reisetätigkeit haben sicherlich zum schnellen Fortschreiten dieser Pandemie beigetragen.
Haftungsausschluss: Roche ist nicht aktiv an Aktivitäten zur Erforschung und Entwicklung eines Impfstoffs gegen SARS-CoV-2 beteiligt.
Beitrag vom 2. April 2020
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