Bis zum 31.12.2021 waren laut Robert Koch-Institut über 7,1 Millionen Personen in Deutschland nachweislich an Corona erkrankt, davon sind fast 112.000 verstorben – die meisten wohl an und nicht nur mit Corona.
Aufgrund von Schwierigkeiten bei der Erfassung (und Nachmeldungen) ist davon auszugehen, dass bereits deutlich mehr Personen tatsächlich eine Infektion durchgemacht haben.
Infolge der hohen Anzahl erkrankter Personen und ihrer Versorgung wurden und werden zentrale Ressourcen im Gesundheitswesen knapp – von medizinischem Personal und Pflegefachkräften, über Krankenhausbetten, bis hin zu Material und Geräten. Eine Überlastung des Gesundheitssystems in der Breite konnte in Deutschland bis Ende 2021 jedoch weitgehend vermieden werden. Auch weil Kapazitäten durch Verschiebung planbarer medizinischer Eingriffe und Arztbesuche zeitweise freigemacht sowie zusätzliche Kapazitäten geschaffen wurden und werden.
Damit ist das Gesundheitswesen seit Ausbruch der Corona-Pandemie einer harten Bewährungsprobe ausgesetzt. Allerdings wären die Belastungen im Gesundheitswesen und die Gesundheitsrisiken für die Menschen bei einem ohne Tests höheren Infektionsgeschehen deutlich höher. Der Nutzen von Tests wird im Folgenden quantitativ bewertet.
Quantitative Schätzungen zu den Auswirkungen von Tests auf Gesundheit und Gesundheitssystem sind zwangsläufig mit Unsicherheit behaftet und hängen entscheidend vom Reduktionsbeitrag der Tests und dem Pandemiegeschehen ab. Um diesem Umstand, zumindest teilweise, Rechnung zu tragen, werden auch an dieser Stelle drei Szenarien betrachtet. Den Szenarien liegen jeweils unterschiedliche Reduktionsbeiträge des Infektionsgeschehens durch Tests zu Grunde (20 %, 40 % und 70 %).
Zur Quantifizierung der Nutzen von Tests werden die Szenarien als kontrafaktische Szenarien konstruiert, die die Situation widerspiegeln, die sich ohne Tests ergeben hätten. Die kontrafaktischen Szenarien können dann mit der tatsächlichen Situation verglichen werden. Dafür müssen die Reduktionsbeiträge der Tests in einem ersten Schritt in vermiedene Anstiege der tatsächlich registrierten Infektionen umgerechnet werden:
Für einen geringen Effekt gehen wir von einem Reduktionsbeitrag von 20 Prozent aus, was einem vermiedenen Anstieg um rechnerisch rund 25 Prozent entspricht.
Für einen mittleren Effekt gehen wir von einem Reduktionsbeitrag von 40 Prozent aus, was einem vermiedenen Anstieg um rechnerisch rund 65 Prozent entspricht.
Für einen hohen Effekt gehen wir von einem Reduktionsbeitrag von 70 Prozent aus, was einem vermiedenen Anstieg um rechnerisch rund 233 Prozent entspricht.
Den Berechnungen und empirischen Schätzungen liegen Daten von März 2020 bis Ende September 2021 zugrunde. Damit beziehen sich die Berechnungen im Wesentlichen auf eine Phase, zu der es noch keine Impfung gab bzw. noch nicht alle „ein Impfangebot“ hatten und das Infektionsgeschehen insbesondere von der Alpha- und später Delta-Variante des Coronavirus dominiert wurde. Aufgrund datenseitiger und methodischer Beschränkungen stellen die Schätzungen zu den Auswirkungen von Tests auf Gesundheit und Gesundheitssystem eher eine Untergrenze dar (Kasten).
Für einen mittleren Effekt von Tests für die Eindämmung des Infektionsgeschehens (vermiedener Anstieg um 65 %) summieren sich die Infektionen, die durch PCR- und Antigenschnelltests in Deutschland bis Ende September 2021 vermieden werden konnten, auf rund 2,8 Millionen Personen. Das bedeutet, dass die Anzahl der bis Ende September 2021 Infizierten ohne Testungen bei rund 7 Millionen Personen gelegen hätte, statt der tatsächlich beobachteten 4,2 Millionen Personen. Ausgehend von Durchschnittswerten im bisherigen Pandemieverlauf (bis Ende September 2021) fielen damit die Todesfälle um schätzungsweise 62.000 und die Krankenhauseinweisungen um 274.000 niedriger aus, als dies ohne Tests der Fall gewesen wäre. Statt der bis Ende September 2021 beobachteten rund 94.000 Todesfälle und 411.000 Krankenhauseinweisungen in Zusammenhang mit Corona, wäre es ohne Testungen zu ca. 156.000 Todesfällen und 685.000 Krankenhauseinweisungen gekommen.
Infolge der vermiedenen Krankenhauseinweisungen konnten die Tests auch helfen, Behandlungskosten im Gesundheitswesen zu vermeiden. Die durchschnittlichen Kosten für die stationäre Behandlung von Infizierten betragen nach Auswertungen des Wissenschaftlichen Instituts der AOK von Krankenhaus-Abrechnungsdaten von 182.000 Corona-Fällen, die zwischen dem 01.03.2020 und dem 31.05.2021 (mit oder wegen Corona) hospitalisiert wurden, rund 10.200 Euro pro Fall (inkl. Pflegepersonalkosten). Die tatsächliche Höhe der Behandlungskosten hängt stark vom Einzelfall ab. Fälle ohne Beatmung verursachen im Mittel Kosten in Höhe von etwa 5.800 Euro, bei schweren Verläufen oder beatmungspflichtigen Patienten liegen die Kosten deutlich höher. So betragen die Kosten bei den zehn Prozent der beatmungspflichtigen Patienten mit den höchsten Kosten nach Auswertungen der AOK über 77.000 Euro. Neuere Daten der AOK für Baden-Württemberg legen nahe, dass sich die durchschnittlichen Kosten auch bis Ende 2021 in ähnlicher Größenordnung bewegen. Damit liegen die Kosten für die Behandlung von Corona-Infizierten in Summe inzwischen deutlich höher als bei dem jahrelangen "Spitzenreiter" Herzinsuffizienz als bislang
Darüber hinaus ermöglicht ein testbedingt niedrigeres Infektionsgeschehen weitere monetäre Einsparungen sowie eine Reduktion von Gesundheitsrisiken, wenn weniger planbare Operationen und Arztbesuche verschoben werden müssen. Allein 2020 wurden Millionen Operationen verschoben und vom Bund Ausgleichzahlungen in Höhe von rund
Infolge der vermiedenen Infektionen ist davon auszugehen, dass Tests zu einer deutlichen Entlastung der Intensivstationen beigetragen haben. Bei mittlerer Effektstärke konnte durch Testungen im Pandemieverlauf bis Ende September 2021 rund 84.000 Einweisungen auf Intensivstationen vermieden werden. Statt der beobachteten rund 125.000 Intensivbehandlungen in Zusammenhang mit Corona bis Ende September 2021, wäre es ohne Testungen zu ca. 208.000 Intensivbehandlungen gekommen.
Bei einer durchschnittlichen Dauer der Intensivbehandlung von Corona-Infizierten von
Davon abweichend werden Berechnungen mit einer geringen und einer hohen Effektstärke und damit ein geringerer bzw. höherer Reduktionsbeitrag bzw. vermiedener Anstieg des Infektionsgeschehens durch Tests angenommen. Dies zeigt die Bandbreite möglicher Effekte im Gesundheitssystem (Abbildung).
Auch künftig dürften Testungen signifikante Entlastungen im Gesundheitssystem und positive Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen entfalten. Mit steigender Impfquote und verbesserten Therapieerkenntnissen nimmt zwar der Anteil an Infizierten mit schweren Verläufen tendenziell ab (Entlastung des Gesundheitssystems). Zugleich können die Fallzahlen und damit die Anzahl hospitalisierter Personen aber steigen, wenn die Corona-Beschränkungen gelockert werden oder sich neue, stark infektiöse Virusvarianten verbreiten (Belastung des Gesundheitssystems).
Näherungsweise Schätzung
Quelle: eigene Berechnungen (Datengrundlage RKI, Intensivregister, AOK)
Die Verschiebung und der Verzicht von medizinisch indizierten Arztbesuchen, Untersuchungen und (elektiven) Operationen kann sich negativ auf die Gesundheit der Patientinnen und Patienten auswirken und unter Umständen zu irreversiblen Gesundheitsschädigungen oder vorzeitigem Tod führen. Allein in den 12 Wochen zwischen Ende Januar und Anfang April 2020 wurden nach Schätzungen einer
Zur Quantifizierung wurden drei kontrafaktische Szenarien ohne Tests konstruiert. Dafür wurde in einem ersten Schritt der jeweilige Reduktionsbeitrag der Tests
Damit stellen die Schätzung eher eine Untergrenze dar. Erstens sind die über die Zeit kumulierten Effekte höher je länger die Pandemie andauert. Eine Betrachtung des weiteren Pandemieverlaufes nach Ende September 2021 führt also grundsätzlich zu größeren Effekten. Zweitens bleibt eine Abschwächung der Infektionsdynamik über die Zeit infolge vermiedener Folgeinfektionen bei einem längerfristig niedrigeren Infektionsgeschehen durch Testungen unberücksichtigt, da ein zeitinvarianter Reduktionsbeitrag angenommen wird. Drittens bleibt die Dunkelziffer, deren Ausmaß per se unsicher ist und im Pandemieverlauf stark schwanken dürfte, unberücksichtigt. Der Einbezug der Dunkelziffer würde zwar die Anzahl (vermiedener) Infizierter erhöhen, zugleich ist aber von einem Rückgang der Mortalitätsrate (Anteil Todesfälle an Infizierten) und Hospitalisierungsrate (Anteil hospitalisierte Fälle an Infizierten) auszugehen, da die unerfassten Infizierten in der Regel milde Verläufe haben.
Trotz empirischer Fundierung sind nur näherungsweise Schätzungen möglichen. Sie bieten eine Indikation der Bandbreite der Stützung der Volkswirtschaft und der Entlastungen im Gesundheitswesen durch die Tests. Unsicherheiten bestehen vor allem hinsichtlich des tatsächlichen Reduktionsbeitrages der Tests. Dieser dürfte ebenso wie die Mortalitäts- und Hospitalisierungsrate und die Behandlungskosten unter anderem mit Impffortschritt, Therapieerkenntnissen und Strenge von Lockdown-Maßnahmen über die Zeit variieren. Zudem können neue Varianten wie Omikron neue Dynamiken und Ansteckungswege bedeuten sowie die Zuverlässigkeit bisheriger (Schnell-)Tests beeinträchtigen. Daten zu Krankenhauseinweisungen oder Letalität der Omikron-Variante oder auch möglicher weiterer zukünftiger Varianten liegen derzeit nicht vor.
Gleichwohl weisen die Ergebnisse auch einen Aussagegehalt für die Zukunft auf, da sie bereits mehrere epidemiologischen Phasen des Pandemieverlaufs abdecken: von Phasen hoher / niedriger Inzidenz und Phasen regionaler / überregionaler Ausbreitung über Phasen mit schweren Fällen in allen / bestimmten Personengruppen bis hin zu Phasen mit unterschiedlichen / ohne Präventions- und Eindämmungsmaßnahmen (z. B. Maskenpflicht, Hygiene- und Abstandsregeln, Kontakt- und Mobilitäts-, sowie Wirtschaftsbeschränkungen, Impfangebote).
Daten beziehen sich auf Personen, die mit Corona infiziert sind.
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