Testen, testen, testen – so lautete der Aufruf der WHO bereits im März 2020. Erste Tests waren zu diesem Zeitpunkt bereits auf dem Markt, doch SARS-CoV-2 verbreitete sich unerwartet schnell, weltweit. Heute sind PCR- und Antigen-Tests in Deutschland überall verfügbar, um Menschen vor einer Infektion zu schützen. Doch sind Tests wirklich ein entscheidender Faktor, um die Verbreitung des Virus einzudämmen?
Noch vor etwas mehr als einem Jahr waren Selbsttests nur etwas für spezielle Bedürfnisse: für Frauen, die vermuteten schwanger zu sein, für Gesundheitsbewusste, die ihren Vitamin D-Spiegel überprüfen wollten, oder für Menschen mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes, die ihren Blutzuckerwert im Finger messen. Doch seit dem Ausbruch der SARS-CoV-2-Pandemie sind die Tests plötzlich allgegenwärtig: An jeder Ecke eröffneten Schnellteststationen, Restaurants und Geschäfte bauten Teststationen vor dem Eingang auf. Test-Kits sind in der Apotheke, im Supermarkt und in der Drogerie erhältlich, Schülerinnen und Schüler testen sich regelmäßig im Klassenraum. Waren die Tests anfangs noch rar, wurden sie später massenhaft zu günstigen Preisen für den Privatgebrauch angeboten. In offiziellen Zentren wurden zeitweise jede Woche bis zu zwei Millionen PCR-Tests durchgeführt[1]. Deutschland wurde zu einer Testnation. Es lag eine große Hoffnung auf den Tests: Sie sollen helfen die Pandemie einzudämmen, Menschen vor einer Infektion zu schützen und ihnen verlorene Freiheiten zu gewähren. Doch welchen Beitrag zur Eindämmung des SARS-CoV-2-Virus haben die Abstriche wirklich geleistet? Haben wir aus diesem „Testlauf“ etwas gelernt und sind wir nun besser für zukünftige Pandemien gewappnet?
1. Welche Tests gibt es, um das SARS-CoV-2-Virus nachzuweisen?
Um eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus festzustellen, benötigt man Proben aus den oberen Atemwegen (Nase, Rachen) und in speziellen Fällen auch aus den tiefen Atemwegen (ausgehustetes Sekret, Sekret aus der Luftröhre)[2]. Ob Bestandteile des Virus enthalten sind, weisen die Tests auf unterschiedliche Weise nach:
Die PCR-Tests für SARS-CoV-2 kamen ab März 2020 auf den Markt [3], sie weisen das Virus am sichersten – zu nahezu 100 Prozent – nach und werden daher als Goldstandard bezeichnet. Dafür nimmt eine Ärztin, ein Arzt oder medizinisch geschultes Personal mit einem Stäbchen eine Probe von den Schleimhäuten der Atemwege, also aus Nase und Rachen. Um das virale Erbgut selbst in kleinsten Mengen nachzuweisen, wird es im Labor mittels eines hochmodernen diagnostischen Verfahrens vervielfältigt. Die Probenentnahme erfolgt daher unter ärztlicher Anleitung, zum Beispiel im Testzentrum - die Testdurchführung dann im Labor, das in der Regel hochautomatisiert und auf die Verarbeitung einer großen Zahl von Patientenproben ausgelegt ist. Speziell ausgebildetes Personal wertet die Tests aus, erstellt die Befunde und übermittelt diesen an den Patienten.
Das Ergebnis liegt meist nach vier bis fünf Stunden vor [4].
Antigen-Tests hingegen suchen nach Proteinen des Virus. Sie weisen nach, dass Virusbestandteile in Mund und Nase auffindbar sind. Es gibt drei verschiedene Antigen-Testarten:
Schnelltest durch Fachpersonal in der Apotheke oder der Teststation. Das Ergebnis liegt nach 15 Minuten vor.
Selbsttest durch Laien zuhause. Man muss 15 Minuten auf das Ergebnis warten.
Labortest für die Anwendung in der Arztpraxis. Das Ergebnis dauert länger, da es im Labor ausgewertet wird.
Die Antigen-Schnell- und Selbsttests haben im Vergleich zu den PCR-Tests jedoch eine geringere Sensitivität und weisen insbesondere Infektionen in der infektiösen Phase, einhergehend mit hohen Viruslasten, nach. „In der Regel zeigen diese Tests mit großer Wahrscheinlichkeit eine aktive Infektion in der Phase hoher Viruslasten an“, sagt Dr. Nico Michel, Leiter Marketing und Vertrieb Labordiagnostik, Roche Diagnostics.
Antikörper-Tests weisen hingegen körpereigene Antikörper gegen SARS-CoV-2 im Blut nach und zeigen so, ob der Getestete kürzlich eine Infektion durchgemacht hat [5]. Sie schlagen bei einer frischen Infektion etwas später als PCR- und Antigen-Tests an, können die zurückliegende Infektion dafür aber auch Monate später mit einer Sensitivität von nahezu 100 Prozent bestimmen.
2. Können Tests zu mehr Normalität und Freiheit beitragen?
„Testen, testen, testen“, forderte die Weltgesundheitsorganisation WHO bereits im März 2020 [6]. Daraufhin wurden die Kapazitäten der Diagnostikunternehmen sowie der Labore hochgefahren und eine nationale Teststrategie entwickelt [7]. Anfangs waren noch nicht genug Tests für die gesamte Bevölkerung verfügbar und geschultes Personal fehlte, doch das wurde schnell aufgeholt. Besonders gefährdete Einrichtungen und Personengruppen wurden bestimmt, die häufiger getestet werden sollten. Die Kosten für die Tests erstatteten die gesetzlichen Krankenkassen und der Bundeshaushalt. „Die Teststrategie wurde fortwährend angepasst und neu auf die Kapazitäten ausgerichtet”, sagt Dr. Nico Michel. „Antikörper-Tests sind auch geeignet, die Bildung von Antikörpern nach einer vollständigen Impfung zu messen. Ob dies in Zukunft hilft, um den Impfschutz zu kontrollieren, wird aktuell intensiv wissenschaftlich erforscht.“
Die Politik und die Wissenschaft erhalten durch das umfangreiche Testen einen besseren Überblick darüber, wer wo infiziert ist und wie man gegensteuern kann. „Infizierte können schnell erkannt und behandelt werden, Infektionsketten unterbrochen und das Gesundheitssystem vor einer Überlastung geschützt werden“, sagt Dr. Michel. Durch diesen detaillierten Überblick kann den Menschen stufenweise eine gewisse Normalität und essenzielle Freiheiten zurückgegeben werden. „Im Zusammenspiel mit den allgemeinsamen Hygieneregeln AHA+L spielt das Testen seine Stärke aus: So können Schüler den Unterricht besuchen und die Menschen zum Friseur gehen, ohne sich einer allzu großen Gefahr auszusetzen”. Ohne Tests wäre vieles ein Blindflug. Länder, in denen wenig getestet wird, büßen dieses Versäumnis durch häufig wieder aufflackernde Infektionsherde.
3. Welchen Beitrag leisten Tests aus medizinischer, ökonomischer und sozialer Sicht?
Um die Tests in Deutschland flächendeckend und kostenfrei anbieten zu können, wurde seitens der gesetzlichen Krankenkassen und der Bundesregierung viel investiert [8]. Diagnostikunternehmen verwendeten viele Kapazitäten darauf, um Tests (weiter) zu entwickeln und in hohen Stückzahlen zu produzieren. „Diese Investitionen war es definitiv wert. Denn Tests verhindern hohe Kosten für das Gesundheitssystem, da sie die Menschen schützen und die Anzahl an Intensivpatienten reduzieren“, sagt Dr. Nico Michel, Virologe und Vertriebsleiter bei Roche. „Tests leisten einen erheblichen Beitrag, um das Virus einzudämmen und den Menschen viel Leid zu ersparen.“ Auch aus medizinischer Sicht war es sinnvoll die Kapazitäten hochzufahren: Labore wurden ausgebaut, die nun auch zukünftig für eine gezielte Diagnostik zur Verfügung stehen. „Mit der nun vorhandenen Infrastruktur und Technik werden wir auch in Zukunft bei anderen Pandemien zum Beispiel durch Viren oder multiresistente Keime schneller und umfassender handeln können“, sagt Michel. Diagnostik wird für ca. 70 Prozent der Entscheidungen im Gesundheitswesen benötigt, macht aber nur 2 Prozent der Gesundheitsausgaben aus. „Oder anders gesagt: 1.000 Laborärzte sind für die Entscheidungen von mehreren hunderttausend Ärzten verantwortlich, sagt Dr. Michel. Doch in den vergangenen eineinhalb Jahren hat sich viel getan: Labore wurden schnell und umfassend modernisiert, sie sind jetzt Vorreiter im Gesundheitswesen für Digitalisierung: Sie arbeiten heute digitaler als vor der Pandemie, die Übermittlung der Ergebnisse geht schneller und ist nutzerfreundlicher. Das negative Corona-Testergebnis kann so auf dem Handy vorgezeigt und abgespeichert werden – ein Modell für andere Erkrankungen.
4. Warum brauchte die Produktion der Tests etwas Zeit?
Zu Beginn der Pandemie waren nicht so viele Test-Kits verfügbar, wie sich manche Menschen das gewünscht hätten. Doch im Grunde ging die Entwicklung und Herstellung der Tests rasend schnell., Roche beispielsweise vervierfachte die Produktionskapazitäten im Lauf der Pandemie. Die Testinstrumente sind hochkomplex, es braucht speziell ausgebildetes Personal. Dafür arbeiteten die Teams Tag und Nacht. „Behörden, Pharmaunternehmen, Ärztinnen und Ärzte ziehen wie nie zuvor an einem Strang – das ist eine einmalige Erfahrung“, sagt Dr. Nico Michel.
5. Wie sieht eine sinnvolle Teststrategie aus, die alle Menschen erreicht?
Besonders gefährdete Personengruppen und Menschen, die einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt sind, sollten zu Beginn einer Pandemie bevorzugt getestet werden [9]. „Daher sollten die Tests leicht verfügbar und die Zentren gut erreichbar sein“, sagt Dr. Michel. Ein perfektes Testzentrum arbeitet effizient, um möglichst viele Tests durchführen zu können, gestaltet den Ablauf digital, begleitet die Menschen und erklärt ihnen die Risiken sowie die Aussagekraft des Tests. Auch die Selbsttests für Zuhause sind ein wichtiger Baustein der Pandemiebekämpfung, denn sie geben vor einem persönlichen Kontakt, zum Beispiel dem Besuch bei den Großeltern oder einem Meeting mit Geschäftspartnern, eine gewisse Sicherheit. Welchen Mindestanforderungen die Tests genügen müssen, legt das Bundesministerium für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) fest [10].
6. Haben mehr Tests das Verständnis für Diagnostik verändert?
Noch nie waren Tests und somit die Diagnostik so nah am Menschen und ein so wesentlicher Bestandteil des Alltags: In kürzester Zeit entstanden landesweit Testzentren, Firmen und Schulen testeten umfassend. Und so wurde mancher Infektionsherd frühzeitig erkannt und eingedämmt. „Man merkt, wie sich das Gesundheitswesen verändert hat und der Wandel spürbar wird“, sagt Virologe Dr. Michel. „Die Menschen haben verstanden, wie viele Chancen in der Diagnostik stecken.“ Sie werden deshalb wohl auch in Zukunft eine wichtige Rolle in unserem Leben einnehmen – bei weiteren Pandemien, aber auch im Alltag bei anderen Erkrankungen.
7. Wird man für alle Erkrankungen Tests entwickeln können?
Bei zukünftigen Pandemien wird die Entwicklung von PCR- und Antigen-Tests sicherlich noch schneller gehen, da SARS-CoV-2 ein wichtiger „Testlauf“ war – im wahrsten Sinne des Wortes. „So werden wir bei zukünftigen Erregern noch schneller reagieren und Epidemien leichter eindämmen können“, sagt Dr. Michel. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die nächste Epidemie oder Pandemie vor der Tür steht, aber dann werden wir gut vorbereitet sein. Wir haben jetzt mehr Geräte, größere Produktionsstätten für Verbrauchsmaterialien und bessere Prozesse, um auf eine Pandemie schnell zu reagieren.“ Michel ist sich sicher, dass die Erreger der meisten Erkrankungen schnell sequenziert und so Tests zeitnah entwickelt werden können. „Die Nukleinsäure der Erreger lässt sich mit einem PCR-Test in der Regel gut aufspüren.” Sorgen machen ihm jedoch Bakterien wie multiresistente Keime, die weltweit immer mehr zunehmen. Prionen, die unter anderem die Rinderkrankheit BSE verursachen und in denen keine Nukleinsäure vorkommt, lassen sich mit einem PCR-Test nicht finden.
8. Kann das Virus so mutieren, dass es von Tests nicht erkannt wird?
Die PCR- und Antigen-Tests finden sogenannte „konservative“ Regionen des Virus. Diese werden mit einer hohen Wahrscheinlichkeit nicht mutieren – denn Mutationen an diesen Stellen könnten dazu führen, dass das Virus nicht mehr in der Lage ist, sich zu vervielfältigen und sich somit selbst stoppt.
Daher werden die Tests das Virus und seine Varianten vermutlich immer aufspüren können.
9. Welche Rolle werden Tests zukünftig in unserem Leben spielen?
Viele Menschen haben sich durch die COVID-19 Pandemie daran gewöhnt, mittels Diagnostik bewusst ihre Gesundheit zu prüfen. Auchfür andere Gesundheitsfragen und Erkrankungen gibt es immer mehr Tests, die außerhalb einer ärztlichen Betreuung zugänglich werden. Tests können ein gutes Mittel sein, um Sicherheit zu gewinnen oder die eigene Gesundheit bewusster zu managen. In der Apotheke oder im Drogeriemarkt stehen daher unter anderem Tests für den Vitamin D-Spiegel, den Scheiden-pH-Wert, Schwangerschaft, Herzinfarkt, HIV, Blutzucker, Fruchtbarkeit oder die Menopause – und weitere Tests sind in der Entwicklung. Nicht alle sind uneingeschränkt zu empfehlen, da sie teilweise noch zu ungenau sind oder eine ärztliche Interpretation der Ergebnisse fehlt. Häufig geben sie trotz dieser Einschränkung aber eine erste Orientierung. Wenn man es wirklich genau wissen will, dann hält man es wie mit dem Test auf SARS-CoV-2: Lieber doch zum Arzt gehen!
Dennoch: Tests werden auch in Zukunft in unserem Leben eine wichtigere Rolle spielen und uns helfen, uns vor Krankheiten zu schützen und unsere Gesundheit eigenverantwortlicher zu managen.
Experte: Nico Michel, Leiter Marketing und Verkauf Labordiagnostik, Roche Diagnostics Deutschland GmbH (nico.michel@roche.com)
Referenzen
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