Es wäre eine schöne Vorstellung: Wer sich mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert - ob geimpft oder nicht -, der bekommt nach einer schnellen Diagnose eine Tablette, um einen schweren Krankheitsverlauf oder noch besser jegliche Symptome zu vermeiden. Bekommt er dennoch Beschwerden, gäbe es Medikamente, die ihn rasch wieder gesund werden lassen.
So einfach ist es leider noch nicht –es gibt aber mittlerweile einen ganzen Werkzeugkasten, um das Virus zu bekämpfen: „Von medizinischen Tests über Impfstoffe bis hin zu wirksamen Therapien stehen uns im Kampf gegen die Pandemie wirksame Mittel zur Verfügung“, betont Prof. Dr. Hagen Pfundner, Vorstand der Roche Pharma AG. „Diese Lösungen wurden in einem Rekordtempo entwickelt“, so Pfundner.Entscheidend hierfür waren die Innovationskraft der industriellen Gesundheitswirtschaft und die Zusammenarbeit mit Ärzteschaft, Politik und Behörden – sowurden viele Weichen gestellt, um auch andere Erkrankungen in Zukunft schneller therapieren zu können.
Wissenschaftler rund um die Welt haben in nur wenigen Monaten unglaublich viel über das SARS-CoV-2 Virus und über die Erkrankung COVID-19, die durch das Virus ausgelöst wird, gelernt. Ihr oberstes Ziel: Ansteckungen und negative Folgen einer Infektion mindern oder sogar ganz verhindern. Insgesamt wurden daher bisher über 200 verschiedene Substanzen geprüft1. Anfangs waren das vor allem bereits vorhandene Medikamente, die für andere Erkrankungen zugelassen sind, oder Prüfsubstanzen, die zum Beispiel für verwandte Viruserkrankungen entwickelt und in Studien getestet wurden. Zeitgleich wurden neue Substanzen im Labor geprüft. Leider konnten die meisten Substanzen die Erwartungen nicht erfüllen – sie waren einfach nicht so wirksam oder hatten unangemessene Nebenwirkungen. Doch inzwischen gibt es neben den zugelassenen Impfstoffen mehrere Medikamente, die das Risiko einer Infektion mit SARS-CoV-2 oder den Schweregrad der Erkrankung reduzieren. Sie lassen Patienten mit sehr schweren Verläufen häufiger überleben und schneller gesund werden. „Es ist beeindruckend, dass in so kurzer Zeit wirksame Behandlungsmöglichkeiten entwickelt werden konnten“, sagt Dr. Stefan Frings, globaler Leiter der Medical Affairs Abteilung von Roche Pharma Product Development. „Doch es ist noch immer viel zu tun. Wir brauchen weitere und wirksamere Behandlungsoptionen für Patienten, um mit dem sich verändernden Virus Schritt zu halten. Auch bedarf es mehr wirksamer Therapien für die Bedürfnisse von Patienten und die Gegebenheiten in Entwicklungsländern.”
Um eine SARS-CoV-2-Infektion zu behandeln, wird derzeit an Medikamenten für unterschiedliche Krankheitsphasen geforscht:
Antivirale Medikamente sollen verhindern, dass die Viren in die Körperzellen eindringen und sich dort vermehren. Die Medikamente sollen SARS-CoV-2-Viren idealerweise bereits in den oberen Atemwegen abfangen2, die Vermehrung in den Zellen hemmen.
Synthetisch hergestellte neutralisierende monoklonale Antikörper richten sich gegen die Oberflächenproteine des Virus. Sie helfen die Vermehrung der Viren zu reduzieren und sie zu eliminieren. Die Produktion der monoklonalen Antikörper ist hochkomplex und aufwendig. Doch der Einsatz lohnt sich, denn sie können Menschen, die mit Risikopatienten arbeiten, schützen. Auch bei Erkrankten verringern sie schwere Verläufe und reduzieren die Todesfälle.
Dämpfende Immunmodulatoren begrenzen die natürlichen Abwehrreaktionen des Körpers bei einer schweren Erkrankung. Eine Immunreaktion ist zwingend notwendig, um das Virus zu bekämpfen. Doch eine stark überschießende Reaktion im späteren Krankheitsverlauf kann bei COVID-19 Erkrankten tödlich verlaufen und soll deshalb verhindert werden.
Medikamente für eine verbesserte Lungenfunktion helfen der Lunge, ihre Funktion aufrecht zu erhalten, eine Narbenbildung zu vermeiden und sich nach einer überstandenen Erkrankung leichter zu regenerieren. Verschiedene Substanzen sind derzeit in der klinischen Entwicklung.
Medikamente gegen Long Covid gibt es noch nicht. Sie können entwickelt werden, sobald mehr über die Ursache von Long Covid bekannt ist. Derzeit wird unter Expertinnen und Experten diskutiert, welche verschiedenen Ursachen, die verschiedenen Symptome der Patientinnen und Patienten auslösen könnten.
Es gibt viele Hoffnungsträger: Über 6.000 klinische Studien zu nichtmedikamentösen Ansätzen, Medikamenten und Impfstoffen gegen Covid-19 und damit verbundene Komplikationen sind auf clinicaltrial.gov aufgelistet - eine weltweite Datenbank für klinische Studien. Darunter sind weit über zweihundert verschiedene Wirkstoffe und mehr als 90 Impfstoffkandidaten - noch eine höhere Anzahl befindet sich in der präklinischen Forschung.. Viele Wirkstoffe wurden bereits verworfen, weil sie unwirksam waren. Doch einige Medikamente zeigen vielversprechende Ergebnisse.
Doch selbst wenn Medikamente nicht gegen COVID-19 eingesetzt werden können, haben sie die Medizin ein großes Stück vorangebracht. Es wurden Wirkstoffe gefunden, die man vorher noch nicht kannte und Substanzen entwickelt, die wiederum bei anderen Erkrankungen nützlich sind. Die Erforschung von SARS-CoV-2 und die Therapie von COVID-19 hat also wichtige Grundsteine gelegt. Dazu zählen unter anderem Antikörpertherapien, die gegen COVID-19 erprobt wurden,aber auch im Kampf gegen Krebs, Autoimmunerkrankungen oder entzündliche Darmerkrankungen erprobt und eingesetzt werden. Ähnliches gilt für mRNA-Impfstoffe - auch hier wird die Technologie gegen Krebs, Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose oder Infektionskrankheiten wie das Humane Respiratorische Synzytial-Virus erprobt und eingesetzt. Zudem wurden Technologien verbessert, Produktionsstraßen für Medikamente und Impfstoffe aufgebaut, Zulassungsverfahren beschleunigt, Abläufe mit der Politik verhandelt, Produktionsstätten ausgebaut und neue Auslieferungswege geschaffen – damit Medikamente zukünftig schneller beim Patienten ankommen.
Das ist derzeit sehr schwer vorherzusagen. Fest steht: Pharmaforschung ist Hochrisikoforschung. Die Entwicklung eines neuen Medikaments braucht Zeit und eine nahtlose Zusammenarbeit von Forschung, Versorgung, Pharmaunternehmen, und Politik. Von der Idee bis zur ersten Zulassung dauert es in Nicht-Covid-Zeiten meist mehr als ein Jahrzehnt. Von 5.000 bis 10.000 synthetisierten chemischen Substanzen kommen im Durchschnitt nur zehn in klinische Studien mit Menschen zur Erprobung, und nur eine schafft es dann tatsächlich zur Marktzulassung. Traditionell arbeiten Industrie und Wissenschaft in Deutschland sehr eng zusammen – nur so kann Forschung vorangetrieben werden.
Nicht ohne Grund nimmt Deutschland daher den vierten Platz der forschungsintensivsten Volkswirtschaften ein, so der
Bereits heute können wirksame Medikamente die Symptome und Krankheitsfolgen lindern. In den USA und in der EU bewerten verschiedene Behörden die heute schon verfügbaren Medikamente gegen COVID-19 unterschiedlich. In Deutschland werden außerdem die medizinischen Leitlinien regelmäßig aktualisiert, die ebenfalls Empfehlungen geben. Auf diesen Grundlagen entscheidet dann die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt in Absprache mit dem Patienten, welches Medikament geeignet sei.
Bereits verwendet wird das antivirale Medikament Remdesivir, ein sogenannter RNA-Polymerase-Hemmer. Es soll die Vermehrung des Virus in den menschlichen Zellen verhindern. Ursprünglich wurde es gegen das Ebola-Virus entwickelt, war aber nicht so wirksam wie erhofft. Seit dem 1. Mai 2020 wird es in den USA per Notfallzulassung gegen SARS-CoV-2 eingesetzt, seit dem 3. Juni 2020 ist es in der EU zugelassen. Es wird als Infusion verabreicht.
Das Medikament Dexamethason wird ebenfalls injiziert, es dämpft das Immunsystem. Bereits seit Jahrzehnten ist es für andere Anwendungsgebiete zugelassen, zum Beispiel bei Hirnödemen, bei Schockzuständen oder um zu verhindern, dass ein transplantiertes Organ abgestoßen wird4.
In den USA sind zudem noch weitere Medikamente zugelassen, die auch bald in der EU zulassungskonform verwendet werden könnten: Baricitinib und Tocilizumab, zugelassen gegen rheumatoide Arthritis, dämpfen die Immunabwehr des Körpers. Casirivimab und Imdevimab sind Antikörper, die das SARS-CoV-2-Virus binden und neutralisieren. Auch Bamlanivimab & Etesevimab und Sotrovimab sowie Regdanvimab sind Antikörper und in der Lage, das Virus auf diese Weise zu bekämpfen5.6.
„Die meisten Medikamente, die zur Therapie von Covid-19 eingesetzt werden könnten, sind bereits gegen eine andere Krankheit zugelassen – man funktioniert sie um“, erklärt Dr. Stefan Frings. Dieses Verfahren nennt man „Repurposing“. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, schneller einen geeigneten Kandidaten zu finden, da solche Medikamente schneller getestet werden können. So überprüften Forschungsgruppen und Pharmaunternehmen, ob bereits “fertige” Ebola-, Grippe-, Hepatitis-C-, Bandwurm- und Milben-Medikamente auch gegen SARS-CoV-2 wirkten. Dank einer gut funktionierenden industriellen Gesundheitswirtschaft steht ein ganzer Werkzeugkasten zur Verfügung. „Doch auch ganz neue Wirkstoffe und Ansätze werden ausprobiert. In der Pandemie haben Forscher daran gearbeitet, alle notwendigen präklinischen Daten so rasch wie möglich zu erheben, um zeitnah zu wissen, ob eine weitere Entwicklung sinnvoll ist“, sagt Dr. Stefan Frings. In den USA werden bereits einige Medikamente per Notfallzulassung eingesetzt, in der EU haben Medikamente eine bedingte Zulassung oder eine Empfehlung erhalten. Für die beiden Behörden und alle anderen Akteure steht die Sicherheit der Bevölkerung und das Abwägen von potenziellem Nutzen mit potenziellen Nebenwirkungen im Vordergrund.
Dies hängt vom Wirkmechanismus der Medikamente ab. Viren sind darauf ausgelegt, sich durch ständige Mutationen weiterzuentwickeln und anzupassen. Die Replikationsmaschinerie der Viren, die bestimmte Enzyme benötigt, bleibt in der Regel stabiler. Dort setzen direkt wirkende anti-virale Medikamente an, daher werden sie wohl auch in Zukunft wirksam sein. Doch es ist eine Frage der Zeit und auch der Anzahl der infizieren Patienten, bis sogenannte „escape mutations“ auftreten - also Mutationen, die die Wirkung der Impfung schmälern. Denn Oberflächenproteine, die für das Andocken an menschliche Zellen und das Einschleusen in die Zelle verantwortlich sind, mutieren sehr schnell. Daher wurden bestimmte Therapien bewusst als Kombinationen von zwei Antikörpern entwickelt. Selbst wenn es dem Virus durch Mutation gelingt, einer Bindung zu entgehen, sollte der andere Antikörper weiterhin die Andockung oder Einschleusung des Virus verhindern. „Gerade jetzt, wo zunehmend Mutationen die Ausbreitung bestimmen, ist es beruhigend, dass in Laborversuchen die Wirksamkeit der meisten Antikörper-Kombinationen gegen die aktuell weit verbreiteten Varianten weiterhin nachgewiesen werden kann“, sagt Dr. Stefan Frings.
Ende Juni 2021 hat die EU eine sogenannte Therapeutika-Strategie veröffentlicht, mit der sie vielversprechende COVID-19-Medikamente schneller zulassen und zu den Patienten bringen will. Insgesamt fünf Therapeutika werden in dieser Strategie aufgelistet, die sich im Moment im Zulassungsverfahren beziehungsweise im Rolling Review-Verfahren befinden. Bis Ende 2021 sollen noch fünf weitere Kandidaten auf die Liste kommen. Und die Europäische Kommission bereitet eine „Therapeutics Innovation Booster Plattform“ vor – darauf sollen Projekte in einer sehr frühen Phase aufgelistet werden, um sie zu unterstützen7. Ein wichtiger Schritt des Bundesgesundheitsministeriums war es zudem, dass die Anwendung von monoklonalen Antikörpern bei COVID-19-Erkrankten vergütet wird. So werden behandelnde Zentren für Anwendung der Therapie und Apotheken für Logistik entlohnt.
Referenzen
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