Was es bedeutet, wenn eine Herzschwäche lange unerkannt bleibt, schildert Winfried Klausnitzer, langjähriger Herzinsuffizienz-Patient und Vorstand des Dachvereins Herzschwäche Deutschland. Der Diabetologe Dr. Manfred Ganz erklärt, wie sich eine Herzinsuffizienz bemerkbar macht und warum es so wichtig ist, sie bei Diabetes-mellitus-Patient:innen gleich „mitzudenken“.
Facharzt für Innere Medizin
Diabetologe DDG
Hypertensiologe DHL
Beiratsmitglied Deutsche Diabetes Gesellschaft - Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Herz
Beratung in der Gesundheitswirtschaft, Gründer und Inhaber
Gründer und Vorstand Herzschwäche Deutschland e.V.
Diagnostik im Dialog (DiD): Herr Klausnitzer, Sie sind Mitgründer und Vorsitzender des Vereins Herzschwäche Deutschland e. V. Was motiviert Sie, sich für den Verein zu engagieren?
Klausnitzer: Ich leide selbst seit vielen Jahren unter einer Herzinsuffizienz (HI). Die Krankheit brachte mein Leben zeitweise aus dem Lot, weil sie sehr lange nicht erkannt wurde. Um Herzinsuffizienz bekannter zu machen, Menschen aufzuklären und dazu beizutragen, dass anderen Betroffenen ein langer Leidensweg erspart bleibt, engagiere ich mich für den Verein.
DiD: Wann wurde Ihre Herzinsuffizienz diagnostiziert?
Klausnitzer: Die ersten Symptome, wie Atemnot, Leistungsabfall und Schwindelgefühle, hatte ich bereits ab etwa 2002. Ich war ab dieser Zeit regelmäßig beim Hausarzt, beim Lungenfacharzt und beim Kardiologen. Die Ärzte erkannten meine Herzschwäche allerdings nicht. Sie verschrieben mir zuerst Mittel gegen die chronisch obstruktive Lungenerkrankung COPD oder hielten meine Probleme für Panikattacken. Zugespitzt hat sich alles im Jahr 2013. Ich litt in dieser Zeit unter massiver Luftnot. Ich konnte irgendwann nur noch im Sessel schlafen und keine zwei Stufen mehr auf der Treppe laufen, ohne Atemnot zu bekommen. Die Diagnose „Herzinsuffizienz“ erhielt ich erst Anfang 2024, als ich mit akuten Problemen ins Krankenhaus eingewiesen wurde. Ich hatte wohl vor langer Zeit einmal einen stillen Infarkt, der mein Herz so geschädigt hatte, dass sich daraus eine chronische Erkrankung entwickelte.
DiD: Wie kamen Sie zum Verein Herzschwäche Deutschland e. V.?
Klausnitzer: Im Krankenhaus wurde ich vom medizinischen Personal gefragt, ob ich nicht Lust hätte, eine Selbsthilfegruppe zu gründen, damit sich Menschen mit ähnlicher Leidensgeschichte austauschen können. Ich sagte zu und so starteten wir 2015 mit unserer ersten Gruppe in Nürnberg. Um eine größere Reichweite zu erlangen, gründeten wir 2016 den Verein Herzschwäche Franken e. V. mit Sitz in Nürnberg, als Dachverband für die Selbsthilfegruppen. Nach und nach richteten wir weitere Selbsthilfegruppen in Bayern ein und nach der Gründung der ersten Selbsthilfegruppe in Hessen änderten wir den Namen 2021 in Herzschwäche Deutschland e.V.
DiD: Was ist das Ziel Ihres Vereins?
Klausnitzer: Wir wollen die Herzinsuffizienz bekannter machen. Noch immer hört die große Mehrheit aller Patient:innen erstmals bei der Diagnose von dieser Erkrankung. Etwa die Hälfte aller Patient:innen verstirbt innerhalb von fünf Jahren nach Diagnose.¹ Das muss sich ändern!
Wir führen beispielsweise in Kooperation mit Kliniken Patient:innenschulungen durch und stellen Schulungs- und Informationsunterlagen zur Verfügung. Einmal im Jahr veranstalten wir den „Runden Tisch“, der das Ziel hat, die Aufmerksamkeit für Herzschwäche zu steigern. 2025 haben wir unseren Schwerpunkt auf „HI und Nebenerkrankungen“ gesetzt. Am 17. /18. März 2026 geht der Runde Tisch mit dem Thema „HI und Gendermedizin“ in die fünfte Runde. (Anmerkung der Redaktion: Informationen hierzu gibt es unter:
In diesem Jahr haben wir in Fürth erstmals auch einen Gesundheitsmarkt veranstaltet. Er richtet sich an ein breites Publikum – vom Fachpersonal bis zu den Patient:innen und ihren Angehörigen. Ziele des Gesundheitsmarktes sind die Prävention und therapeutische Möglichkeiten bei HI, die Verbesserung der Lebensqualität und die Vernetzung verschiedener Akteur:innen des Gesundheitswesens.
DiD: Herr Dr. Ganz, Sie sind Diabetologe und beschäftigen sich intensiv mit dem Zusammenhang von Diabetes und Herzinsuffizienz. Beobachten auch Sie, dass der Weg zur Diagnose einer HI – wie bei Herrn Klausnitzer – oft sehr lange dauert?
Ganz: Absolut! Viele Patient:innen kennen die Krankheit Herzinsuffizienz nicht. Aber auch Hausärzt:innen fehlt oft das Bewusstsein für die Erkrankung. Diabetespatient:innen haben beispielsweise ein deutlich erhöhtes Risiko, an einer Herzinsuffizienz zu erkranken.²
DiD: Welche Möglichkeiten sehen Sie, um diese Patient:innen frühzeitig zu identifizieren?
Ganz: Ärzt:innen, die Menschen mit Diabetes behandeln, sollten unbedingt immer daran denken, dass ein Diabetes mellitus oft mit Herzschwäche einhergeht. Expert:innen aus Diabetologie und Kardiologie sollten sich aus diesem Grund vernetzen und eng zusammenarbeiten. Ich habe beispielsweise einen Kardiologen meines Vertrauens, zu dem ich meine Patient:innen schicke, wenn ich denke, dass diese eine Herzinsuffizienz haben könnten.
DiD: Wie erkennen Sie diese Patient:innen?
Ganz: Die klassischen Symptome einer HI sind Müdigkeit und Schwäche bereits nach geringer Belastung – wie es auch Herr Klausnitzer beschrieben hat. Hinzu kommen Atemnot, nächtlicher Husten und später Ödeme/geschwollene Beine. Die Diagnose ist erst einmal rein klinisch. Mit den eigenen fünf Sinnen, einem Stethoskop und natürlich einer sauberen Anamnese kann man auch als Nicht-Kardiologe eine potenzielle HI erkennen. Auf dieser Basis kann man erste therapeutische Maßnahmen einleiten, bis die endgültige Abklärung und Einstellung beim Kardiologen erfolgt.
Anzumerken ist allerdings, dass vor allem die Fälle kritisch sind, die nicht die augenscheinlichen Zeichen einer Herzinsuffizienz zeigen.
DiD: Welche Rolle spielen aus Ihrer Sicht die natriuretischen Peptide bei der Diagnose einer HI?
Ganz: Natriuretische Peptide wie NT-proBNP oder BNP sind sehr wertvoll, da man mit ihrer Hilfe eine saubere Ausschlussdiagnose vornehmen kann: Ein normaler NT-proBNP- oder BNP-Wert schließt eine Herzinsuffizienz mit hoher Wahrscheinlichkeit aus. Bei hohen Werten ist eine weitere kardiologische Abklärung erforderlich.
DiD: Sie haben an einer kürzlich erschienenen gesundheitsökonomischen Studie mitgewirkt, die die Kosteneffizienz eines NT-proBNP-Screenings bei Menschen mit Diabetes untersucht. Was hat die Studie ergeben?
Ganz: Die Analyse kommt zu dem Schluss, dass ein jährliches NT-proBNP-Screening bei Menschen mit Diabetes und weiteren Risikofaktoren helfen könnte, eine HI frühzeitig zu erkennen und im Nachgang gezielt zu behandeln. Mit einer solchen Strategie könnte nicht nur die Lebensqualität der Patient:innen verbessert werden, sondern auch die Kosten infolge von HI für unser Gesundheitssystem könnten reduziert werden.³
Lesen Sie dazu auch:
Vielen Dank Herr Klausnitzer und vielen Dank Herr Dr. Ganz für das angenehme Gespräch!
McDonagh TA et al. European Heart Journal 2021;42(36):3599–3726
Schütt K et al. Positionspapier Herzinsuffizienz und Diabetes. Kardiologie 2022;16:358–371
E. Walter, C. A. Schneider, T. Forst, M. Ganz, S. Zweyer. Typ-2-Diabetes: Kosteneffektivität eines NT- proBNP-Herzinsuffizienz-Screenings bei Patienten mit hohem Risiko in Deutschland. Diabetes Stoffw Herz 2025; 34: 133 – 143
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